Ein junges norwegisches
Ehepaar reist nach New York, den Kopf voller Pläne, was sie sich
alles ansehen wollen. Vom Central Park gehen sie ins Metropolitan
Museum, wo Hans Olav von einem großen Gemälde sehr fasziniert ist.
Rakel lässt ihn kurz zurück, um auf die Toilette zu gehen. Er wird
hier warten, sagt er. Doch als Rakel zurückkommt, ist ihr Mann
verschwunden.
Was sich liest, wie der
Beginn einer mysteriösen, spannenden Geschichte, passiert auf den
ersten fünf Seiten, eigentlich im allerersten Satz, und ist auch
schon der aufregendste Teil dieses 220 Seiten starken Buches. Danach
wird minutiös von Rakels Suche berichtet.
Beim Lesen hatte ich
das Gefühl, ungefähr die Hälfte aller Sätze finge mit „Ich
...“ an. „Ich setze mich auf eine Bank. Ich esse ein Stückchen
Schokolade.“ usw. In gewisser Weise kommt darin die Gefangenheit
Rakels im Ich, ihre Einsamkeit inmitten der hin und her
wogenden Menschenmassen New Yorks, zum Ausdruck. Auf mich als Leser
wirkt es genau so ermüdend, wie Rakels ergebnislose Suche nach Hans
Olav.
Rakels Gedanken drehen
sich im Kreis, wie ihre Suche. Immer wieder kehrt sie an die gleichen
Orte zurück. Trifft die gleichen Personen, von denen sie sich
Antworten erhofft, wieder und wieder. Stellt immer die gleichen
Fragen. Erhält irgendwann leicht veränderte Antworten. Kommt ihrem
Mann dadurch kein Stück näher. Vergisst zu essen und zu trinken,
wird ohnmächtig, schläft viel.
Sicher, so mag es einer
Frau ergehen, so mag sie fühlen, wenn der Mann plötzlich unter den
geschilderten Umständen verschwindet. Aber möchte ich ein ganzes
Buch darüber lesen? Klares Nein.
Nebenbei erfahren wir
etwas über die Beziehungen der Personen, die hier die Nebenrollen
ausfüllen. Die eine wurde gerade von ihrem Freund verlassen. Andere
streiten sich Türen schlagend und sperren sich auf dem Balkon aus.
Die Nächsten bereden mehr oder weniger vernünftig ihre Trennung,
bevor einer auszieht. Einer muss mit ansehen, wie seine Freundin
„fremdknutscht“ und wollte sich sowieso von ihr trennen. Die
einzige „funktionierende“ Ehe, die uns vorgeführt wird, ist die
von Turid und Hans Martin, Rakels Schwiegereltern. Er bestimmt, sie
ordnet sich unter. Auch kein Traum vom Glück …
Alles in allem ein
Buch, das ich ausdrücklich nicht empfehle. Auch wenn Rakel am Ende
ihre Situation akzeptiert und sogar dankbar ist für die Erkenntnis,
dass die Dinge sind, wie sie sind. Für mich bleibt es ein trauriges
Buch über Auflösung und Hoffnungslosigkeit.
Mich würde interessieren, was Dich zum Kauf inspiriert hat. Da muss es ja auch was gegeben haben...
AntwortenLöschenLiebe Ruth, ich habe das Buch nicht gekauft, sondern im gut gefüllten Bücherregal des Appartements hier in Thüringen gefunden. Der Kurztext auf der Rückseite klang spannend. Ich fühlte mich an meine eigene Kurzgeschichte "Allein allein" erinnert - ähnliche Ausgangssituation - und war neugierig, was andere aus dieser Idee machen. Darum habe ich auch bis zum Schluss durchgelesen.
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