In diesem Blog geht es ausschließlich um Literatur oder, einfacher gesagt, um Bücher. Ihr findet hier Buchempfehlungen, meine Rezensionen zu Büchern und e-Books, die ich gelesen habe, und Hinweise auf Downloads von e-Books. Da ein Blog durch Kommentare am Leben gehalten wird, würde ich mich sehr freuen, wenn Ihr diese Funktion fleißig nutzt.

Mittwoch, 30. September 2015

"Leb wohl, Tirol" von Wolfgang Gösweiner

Dieses Buch gefiel mir schon wegen des schönen Covers. Der Krimi, der sich dahinter verbarg, war dann leider nicht so ganz mein Ding. Zuviel Hau-drauf und Durcheinander. Es wäre interessant zu erfahren, wie ein männlicher Krimi-Leser die Story beurteilt. 
Privatdetektiv Gerhard Gruber ermittelt in Innsbruck auf dermaßen unprofessionelle und kriminelle Art, dass es nicht mehr witzig war. Ich habe nicht gezählt, wie oft Türen eingetreten oder aufgebrochen wurden. Oder versucht zu verstehen, warum Gerhard und sein Kumpel Manni immer wieder jemanden verprügelten bzw. sich selbst eine Tracht Prügel abholen gingen. Zwar zieht sich der Mord an Veronika Plattner wie ein roter Faden durchs Geschehen, denn den will Gerhard aufklären. Obwohl niemand ihn damit beauftragt hat oder gar dafür bezahlt. Andere spielen vor Langeweile WoW oder ähnliche Computerspiele, Gerhard spielt Detektiv. Als habe er nichts zu verlieren und könne jederzeit zurück auf "Los". Ohne erkennbaren Plan stolpert er durchs Geschehen, die Handlung springt hin und her, sodass es schwerfällt, zu folgen.

Der russische Oligarch am Anfang sollte der Story wohl eine Bedeutung geben, die sie nicht hat. Ebenso wie die tote Lisa K. aus dem Prolog, die danach nie wieder auftaucht. Selbst das Wort "Arsch" aus dem im Klappentext zitierten Dialog findet sich im Buch nicht mehr wieder. 

Drogen, Missbrauch, Erpressung, Telefon-Abzocke, Einbruch, Mord ... alles in einen Topf geworfen und umgerührt. Das eine muss nicht mit dem anderen zu tun haben, und wenn ein Kumpel einen Junkee umlegt, ist das natürlich ganz etwas anderes, als wenn jemand Veronika ermordet. Beim Kumpel kann man schon mal drüber hinwegsehen, Veronikas Mörder muss natürlich in den Knast.

Am Ende war ich nur noch erleichtert, dass es vorbei war. Alles in allem bin ich enttäuscht von diesem Krimi, der mich mit leichtem Kopfschmerz zurücklässt. Wahrscheinlich vom vielen Kopfschütteln beim Lesen. 

Fazit: 2**** Das Taschenbuch hat 240 Seiten und kostet 9,90 €. Da E-Book ist mit 8,49 € nur unwesentlich preiswerter.




Dienstag, 29. September 2015

"Gnadenzeit" von Jürgen Mette


Dieses Buch nahm ich mit der Erwartung in die Hand, den versprochenen christlichen Krimi zu lesen. Es begann auch ganz witzig, Kommissar Alois Bachhuber ist ein Oberstorfer Original, genau wie seine Frau Hilde. Dass manche Dialoge im Dialekt des Kleinwalsertals geführt wurden, gefiel mir ebenfalls. Es gab gleich zu Anfang eine Leiche ... also ein echter Krimi, sollte man meinen. Doch dann kam die Rückblende ins Leben der Ermordeten. Seitenweise theoretische Theologie wurde mit wenig Handlung umhüllt. Die Hintergrundgeschichte war zwar gruselig, eine Art christlicher Hinterhof-Sekte, die ihre Mitglieder kontrollieren wollte und deshalb jede Art von intellektueller Bildung verbot. Kein Studium für die "Lämmer" der Gemeinde, keine studierten Menschen in ihren Räumen. Die restlichen Personen, die im Buch vorkamen, waren mehr oder weniger gläubige Christen, die am Ende alle auf den rechten Weg zurückfanden. Gnadenzeit ... Tut mir leid, aber das ist für mich die sehr einseitige Beschreibung einer aus Sicht des Autors vielleicht wünschenswerten christlichen Parallelwelt. Selbst der Kommissar hatte zum Schluss Gefallen an Bibelstunden und ging regelmäßig dorthin. Mörder, Misshandler und Kinderprügeler fanden unter Tränen zurück zu Jesus. Einzig die aus der ehemaligen DDR ins christliche Allgäu zugezogene Larissa (ein in der DDR absolut nicht gebräuchlicher russischer Vorname) blieb ein hoffnungsloser Fall. Na ja, sie war nie getauft worden, für sie galt die Gnadenzeit wohl nicht ... 

Ein paar Rechtschreiben- und Zeitfehler sind mir aufgefallen, dazu etwas Verwirrung im zeitlichen Ablauf. 

Zuviel erhobener Zeigefinger und Hinweis auf den wahren Glauben nahmen der Handlung des Krimis ihre Glaubwürdigkeit. Für meinen Geschmack sollte man Krimi und Christliche Belehrung trennen. Zwei Bücher wären in diesem Fall besser gewesen, als beides gemeinsam ins Weihwasserbecken zu werfen. Bei mir  wird so schnell kein christlicher Krimi mehr im Bücherregal landen. Wobei, "Father Brown" fand ich cool. 

Leider nur 2** (hier korrigiere ich mich entgegen meiner ersten Einschätzung von nur 1*) und die Empfehlung, lieber einen anderen Krimi zu lesen. Und bei Bedarf die Bibel. 

"Gnadenzeit" hat als Taschenbuch 224 Seiten und kostet 14,99 €. Das E-Book ist für 11,99 € erhältlich. 




"Penelopes Tod" von Silke Nowak

Penelope und Kassandra sind Schwestern. Ihre Mutter hat sie entsprechend der griechischen Mythologie benannt. Ganz am Anfang dieses Thrillers glauben wir, mit Penelope im Paradies zu sein. Eine Insel in der Karibik, auf einer Segelyacht mit ihrem geliebten Mann Chris, Sonne auf der Haut, eine Einladung an Bord einer richtig dicken Yacht zu Gerrit, dem reichen Holländer, und seiner Frau Lola.
Am nächsten Morgen ist alles anders. Chris erleidet eine Schlaganfall, ist gelähmt, nicht mehr in der Lage zu sprechen. Doch es geht hier um mehr als um Chris' langsame Rückkehr ins Leben und Penelopes aufopferungsvolle Liebe zu ihrem Mann. Nach und nach erfahren wir, gemeinsam mit Penelope, Details aus Chris' Leben, die so gar nicht zu dem Bild passen wollen, das seine Ehefrau bisher von ihm hatte. 

Mir gefiel dieser Thriller aus mehreren Gründen sehr gut. Zum Einen gelingt es Silke Nowak (wieder einmal) , den Leser zu verwirren, ihn auf falsche Fährten zu locken. Wer ist gut und wer ist böse? Wem kann Penelope trauen? Kann der Leser ihr trauen? All diese Fragen stellte ich mir während des Lesens, und die Antworten fielen, je nach Lesefortschritt, immer wieder anders aus. Zum Anderen fragte ich mich beim Lesen mehrmals, wie ich wohl an Penelopes Stelle mit der Situation umgegangen wäre. Wie stark kann eine Liebe sein? Was kann sie aushalten? Auf diese Fragen gibt der Thriller keine romantisch-verklärte Antwort, im Gegenteil. Es ist ein Thriller, es wird darin gestorben und meist ist es kein natürlicher Tod. Was kann ich jemanden, den ich liebe, zumuten? Diese Frage müssen Penelope, Chris und Kassandra jeder für sich beantworten. Einzig ein medizinisches Detail am Ende des Buches erscheint mir ein wenig unlogisch, mindert aber die Wirkung des Thrillers nicht. Mich machten die aufgeworfenen Fragen sehr nachdenklich. Erst recht, weil ich weiß, dass dem Thriller eine wahre Begebenheit aus dem Freundeskreis der Autorin zugrunde liegt. Wir alle hoffen und glauben, es trifft immer nur die Anderen. Das ist leider ein Irrtum. 

Fazit: 5***** und ein besonderes Lob für das wunderschöne Cover, das perfekt zur Geschichte passt, wie mir am Ende klar wurde. Schade nur, dass das Buch nicht mehr Seiten hat und ich mich viel zu schnell aus dem Geschehen verabschieden musste. 

Das Taschenbuch hat Seiten und kostet 9,95 €. Das E-Book ist momentan noch zum Einführungspreis von 0,99 € erhältlich. --> "Penelopes Tod" von Silke Nowak



Montag, 28. September 2015

"Rennsteig-Schwalben" von Klaus Jäger

Thüringen war für mich bisher eine idyllische Kulisse für erholsamen Urlaub. Wandern, die Aussicht genießen, alles ruhig und beschaulich. In diesem Krimi von Klaus Jäger gibt es wenig Thüringer Atmosphäre und es geht kein bisschen idyllisch zu. Gleich am Anfang gibt es eine temporeiche Verfolgungsjagd. Eine Leiche verschwindet, dafür tauchen zwei neue Tote auf ... Der Journalist Peter Hartmann ist für mich die zentrale Figur des Geschehens. Er hat Prinzipien, denen er treu bleibt - genau wie seiner Ehefrau Anette. Informanten gibt er nicht preis, nicht einmal seinem Chef gegenüber. Trotzdem verhält er sich manchmal ein bisschen umprofessionell, wenn die Neugier mit ihm durchgeht. 
Schlimm fand ich, in welchen Sumpf aus Verbrechen und Menschenverachtung wir hier hineingezogen werden. Sogenannte "Kollateralschäden" werden billigend in Kauf genommen. Da müssen eben mal zwei unbeteiligte Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens sterben, weil man die Leiche rauben will. Auch die Mädchen, die unter falschen Versprechungen aus Weißrussland nach Deutschland gelockt werden, werden absolut menschenunwürdig behandelt. Da man über Mädchenhandel und Prostitution immer wieder liest, frage ich mich, warum die Polizei nicht gezielter dagegen vorgeht. Wenn, wie in diesem Krimi, die Frauen ohne Papiere in Deutschland sind, müsste jede Razzia in einem "Puff" oder "Laufhaus" oder in einer der "Wohnungen" ein Erfolg sein. Oder schaut man absichtlich weg, weil das Problem mittlerweile so groß ist, dass man es lieber duldet, als dagegen zu kämpfen? Hartmann erkennt während seiner Recherchen, dass die Prostitution nicht das Schmuddelimage haben muss, von dem er bisher in seiner Vorstellung ausgegangen war. Oberflächlich geht es sauber zu. Aber auch hier liegt der richtig dicke Dreck da, wo man ihn nicht sofort sieht. Wenn die Bordellbesitzer sich ihre neue "Ware" aussuchen. Wenn den Mädchen die Würde und die Hoffnung genommen werden. Wenn ein Menschenleben nichts mehr wert ist. 

In diesem Buch erkennt zumindest Peter Hartmann gerade noch rechtzeitig, wo seine Grenzen liegen. Obwohl die Morde am Ende aufgeklärt werden und Schuldige ihre Strafe bekommen, sehe ich kein Happy End. 

Etwas zwanghaft erschienen mir die Bemühungen von Anette, Peters Frau, um ihre neue Freundin und die Schlussfolgerungen, die Peter für sich zieht, wie er künftig diese Freundschaft zu seinem Vorteil nutzen könnte. Das klingt in beiden Fällen so kühl und berechnend und scheint zumindest meinem Empfinden nach etwas unrealistisch. Aber vielleicht gibt es ja Menschen, die ihr Umfeld so abchecken und einordnen?

Den Titel "Rennsteig-Schwalben" finde ich übrigens sehr gut, so als Wortspiel ...

Alles in allem ein unterhaltsamer, spannender Krimi, mit relativ wenig Thüringen, aber viel krimineller Energie. 4****

Das Taschenbuch hat 272 Seiten und kostet 10,90 €. Das E-Book ist für 8,49 € erhältlich.




Mittwoch, 23. September 2015

"Der Tod kommt schnell" von Tommie Goerz

Tommie Goerz lud zur Leserunde ein und ich durfte dabei sein. Sogar mit einem signierten Exemplar! 12 kurze Kriminalgeschichten versprach der Klappentext. Sie waren etwas anders, als ich erwartet hatte. Der Autor beherrscht auch die leisen Töne. Für ihn müssen keine Schüsse durch die Nacht peitschen, um Krimi-Athmosphäre zu erzeugen. Dafür kann der Leser sich über kurz oder lang der Frage nicht entziehen, ob wirklich immer nur die Täter Schuld auf sich laden? Oder auch die, die wegschauen, nicht genau hinschauen, bereits vorverurteilt haben? Kurzgeschichten haben die besondere Eigenschaft, am Ende der Story dem Leser Raum zum Nachdenken zu geben. Wie würde ich reagieren, wenn ich wüsste, dass nebenan jemand wohnt, der Kindern eh getan hat und dafür jahrelang im Gefängnis saß? Und nun ist ein Kind tot ... 

Manchmal empfand ich die Gedanken und die Atmosphäre als zu düster. Aber irgendwo muss der Nährboden ja sein, auf dem Verbrechen wachsen. Schlimm vor allem, dass zwei Geschichten auf wahren Tatsachen beruhen. Der Tod kam nicht immer schnell. Manchmal kam er auch gar nicht (zum Glück!) oder langsam. Oder Jahre später, nicht unverdient. 
Gefallen haben mir die genauen Beobachtungen und Beschreibungen. Zum Beispiel könnte ich die Hibiskusblüte anhand des Buches malen und ich fühlte mich in die düstere Leere der Siedlung bei Schnaittach förmlich hineingesogen. 

Zumindest eine Geschichte würde ich eher unter Psycho oder Horror einordnen, aber gerade die war sehr spannend zu lesen. Von Kommissar Behütuns hätte ich gern noch mehr als nur die zwei Geschichten gelesen. Wie gut, dass Behütuns der Held mehrerer Romane vom selben Autor ist. 

Fazit: Lasst Euch Zeit beim Lesen, die Geschichten kann man ruhig ein bisschen sacken lassen. Ich gebe gern 4****

Das Taschenbuch hat 175 Seiten, ist im Verlag ars vivendi erschienen und kostet 9,95 €, Das E-Book ist für 6,99 € erhältlich.


Montag, 21. September 2015

"Who the f*** is Heidi?" von Sarah Krobath

"Who the f*** is Heidi?" ist weder ein Roman noch ein chronologisch angelegter Tatsachenbericht. Trotzdem sind sowohl die Ereignisse als auch die Figuren in diesem Buch aus dem Leben gegriffen, es gab bzw. gibt sie immer noch. Genau wie die unzähligen köstlichen Käsesorten, die Sarah Krobath auf eine so unaufdringlich liebenswerte Weise beschreibt, dass man am liebsten alles stehen und liegen lassen, in sein Auto springen und zum Berner Märit an den Jumi-Käsestand rasen möchte. 

Obwohl sich in diesem Buch alles irgendwie um Käse dreht, geht es doch um viel mehr. Sarah steht kurz vor einem Burn-Out, zieht die Notbremse, wirft ihren gutgezahlten Job in der Werbeagentur hin und beginnt ein "all-inclusive-Praktikum" beim Schweizer Käsehersteller Jumi. Zwischen Käseleibern und Markständen, Restaurantbesuchen und Käseverkostungen, WG-Enge und familiärer Firmenatmosphäre geht es hier vor allem um eins: um den Sinn des Lebens. Fein verpackt in kleinen philosophischen Häppchen zwischen den Zeilen erfahren wir, warum langsam essen glücklich machen kann, dass Genießen und Kaufen zwei grundverschiedene Dinge sind und fragen uns am Ende selbst, warum auch wir bisher glaubten, Käse und Olivenöl aus dem Supermarkt seien Gourmet-Schnäppchen und Bildung müsse natürlich immer gratis sein. Oder? 

Ein kleines bisschen verwirrend fand ich die nicht-ganz-Chronologie der Handlung. Einerseits gab die episodenhafte Erzählweise das Gefühl, die beste Freundin sitzt auf dem Sofa und plaudert über ihr Praktikum bei Jumi. Andererseits kam ich doch ab und zu durcheinander, wann denn nun was war und von wo aus Sarah sich dorthin begab. 

Köstlich sind nicht nur die Käsebeschreibungen, sondern auch die Erfahrungen, die Sarah (Österreicherin) in Bern und London macht. Dass man ausgerechnet sie für eine echte Schweizer Heidi hält, empört sie sehr. 

Die zu den einzelnen Kapiteln empfohlenen Käse hätte ich mir gern ins Haus geholt. Wegen der unerreichbaren Ferne der Märkte, auf denen Jumi-Käse erhältlich ist, musste ersatzweise der Inhalt des heimischen Kühlschranks herhalten. Ein Besuch am Jumi-Marktstand steht von jetzt an ganz oben auf der Liste der Dinge, die ich in meinem Leben noch tun möchte. 

Alles in allem ein Buch, das ich nicht nur Käseliebhabern, sondern auch Geniessern, Langsam-Essern und Sinn-des-Lebens-Suchern empfehlen kann. Fazit 4****

Das Buch ist überall erhältlich, wo es E-Books gibt. Es hat ca. 250 Seiten und kostet 4,99 €




Samstag, 19. September 2015

"Wie ein fernes Lied" von Micaela Jary

Auf dieses Buch wurde ich durch das Cover aufmerksam. Geheimnisvoll, sehnsuchtsvoll versprach es einen Blick in eine vergangene Zeit.
Mit dem Swing hatte ich mich bis dahin noch nie befasst, fand aber sehr interessant, von den Swing-Kids der 1930er / 1940er Jahre zu lesen, die mit dieser damals "hippen" Musik genauso rebellierten, wie andere Jugendliche nach ihnen mit Rock 'n Roll. 
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Margas und Michaels Leben spielt sich im Schatten der Naziherrschaft und des Zweiten Weltkrieges hauptsächlich in Deutschland und Frankreich ab. Michael ist Halbjude und muss sich deshalb unter falscher Identität verstecken. Marga versucht, mit einer Karriere als Sängerin ihm zu folgen und nah zu sein. Sie ist erstaunlich naiv und bringt sich und andere dadurch immer wieder ungefährliche Situationen, aus denen Harald Alsen sie jedes Mal auf bewundernswerte Weise rettet. Dem gegenüber steht eine zweite Zeitebene, die Handlung spielt 1999, als Andrea und Michael auf den Spuren der Swingmusiker in Paris zusammentreffen. Verbindendes Element beider Zeitstränge ist Jules Delaborde, ein bekannter französischer Musiker, der im durch die Nazis besetzten Frankreich Klarinette oder doch Gitarre spielte? 
Gerade das Hin- und Herspringen zwischen den zeitlichen Ebenen lässt die Gegensätze der beiden Zeiten schmerzhaft deutlich werden. Einerseits Verdunklung, Bespitzelung und staatliche Willkür. Andererseits alle Freiheit, die ein junger Mensch sich wünschen kann. Dass "Swing-Kids" für ihre Liebe zur Musik des "Feindes" sogar in KZs gesteckt wurden, finde ich entsetzlich. 
Bewundernswert finde ich, wie die Autorin es schafft, mit wenigen Worten und Sätzen ein Bild zu malen, sodass wir uns mitten hineingezogen fühlen ins hektisch Treiben am Bahnhof der Vorkriegszeit, ins verdunkelte Paris oder ins gleißend bunte Lissabon. Ganz nebenbei erfahren wir viele historische Details und erlaben am Beispiel von Marga die Naivität des deutschen Volkes, das zum Großteil hoffte, den Krieg "aussitzen" zu können. 
Ein wenig traurig habe ich mich am Ende des Buches von den liebgewordenen Freunden Marga, Michael, Harald, Jules, Frank, Andrea und Barbara verabschiedet. Das "Happy End" habe ich persönlich nicht so empfunden. Sicher, es war schön für alle Beteiligten. Aber Marga und Barbara wurden 55 gemeinsame Jahre geraubt! 
Alles in allem ein sehr gefühlvolles, berührendes Buch um Menschen und ihre Suche nach Liebe und Glück zu unterschiedlichen Zeiten der deutschen Geschichte. Klare Leseempfehlung und 5***** Sterne.
Das Taschenbuch ist im PIPER Verlag erschienen, hat 540 Seiten und kostet 9,99 Euro. Das E-Book kostet 8,99 Euro.

"Leider hat Lukas schon wieder ..." von Niki Glattauer

Das ist ein satirisches Buch über den österreichischen Schulalltag am Beispiel von Familie Gruber. Die Eltern: Walter (Hausmann und Schriftsteller) und Sabine (Architektin) versuchen ihre Kinder Lukas (13) und Laura (10?) täglich neu zu motivieren, Spaß an der Schule zu haben. Lehrer und Eltern, manchmal auch Schüler, kommunizieren über ein sogenanntes Mitteilungsheft. Das hat es in sich. Da geht es um überlebenswichtige Dinge wie das Absteppen eines Topflappens oder HÜ-Blätter. Und natürlich um Referate, verhauenen Klassenarbeiten, Teilnahme an Projektwochen ... Beim Lesen kamen Erinnerungen an meine eigene Schulzeit wieder hoch. Schon damals war das Mitteilungsheft ein Machtinstruments der Erwachsenen, denen wir Kinder uns hilflos ausgeliefert sahen.

Das Buch lebt größtenteils vom abgedruckten Schriftverkehr. Die Eintragungen im Mitteilungsheft werden ergänzt durch E-Mails und private Aufzeichnungen Walters. Auch Dialoge werden des öfteren wiedergegeben, allerdings in der sehr anstrengend zu lesenden Form mit Anstrich vor der Zeile und ohne Kennzeichnung, wer was sagt oder, noch schlimmer, gerade schweigt. Diese Dialoge und das ständige Herumreiten von Lehrern und Eltern auf den selben Themen führte dazu, dass meine Leselust im Laufe des Buches etwas nachließ. Zum Glück gab es noch ein paar spannende Fragen, die wirklich erst ganz zum Schluss aufgeklärt wurden und so zum Weiterlesen motivierten. Offen blieb u.a. ob Frau Söller schwanger ist, was es mit Sabines Praktikantin auf sich hat und ob Walter und Sabine noch Sex miteinander haben.

Für Nicht-Österreicher ist es nicht immer einfach, das Schulsystem zu verstehen, nachdem ein 13-jähriger in der NMS (Neue Mittel-Schule) in die 3. Klasse geht, wo KEL-Gespräche stattfinden, und es Einser statt Eins heißt usw. Vermisst habe ich einen Anhang mit Worterklärungen ebenso wie ein Inhaltsverzeichnis mit Kapitelübersicht.

 Witzig fand ich solche Wortschöpfungen wie "Kinder mit Immatrikulationshintergrund" oder "Monokussion". 

Alles in allem ein unterhaltsames Büchlein für alle, denen die Mitteilungshefte ihrer eigenen schulpflichtigen Kinder nicht genügen oder die ihre Erinnerungen an die eigene Schulzeit bisher erfolgreich verdrängt haben. Ich gebe 4****

Das Buch ist im K&S-Verlag erschienen, hat 208 Seiten und kostet in broschierter Form 24,- Euro. 





Montag, 14. September 2015

"Der Raub" von Daniel Silva

Dieses Buch durfte ich vorab lesen, nachdem mich bereits die Leseprobe in ihren Bann gezogen hatte. Für mich bietet die Geschichte eine bisher nie gelesene Kombination an Hintergründen und Ereignissen, die zu einer immer spannender werdenden Story verwoben sind. 

Hauptfigur ist der israelische Top-Spion und Kunstrestaurator (sowie -Fälscher) Gabriel Allon. Er soll im Auftrag der italienischen Polizei den Mord an einem britischen Kunsthändler untersuchen, der in seiner Villa am Comer See tot aufgefunden wurde. Daraus entwickelt sich ein rasantes Katz- und Maus-Spiel unter Beteiligung des israelischen, britischen und Schweizer Geheimdienstes, mit korsischen Maffiosi, französischen Dieben und russischen Dissidenten als Verbündeten und den syrischen Machthabern als mächtigem Gegner. Die Schauplätze wechseln ebenso flink wie die Identitäten einiger Protagonisten. Venedig, Paris, London, Genf, Linz, Der Attersee, Südfrankreich, Tel Aviv ... Das alles ist so packend geschrieben, dass es an keiner Stelle zu politisch-theoretisch oder gar langweilig wird. Erschreckend fand ich die Aktualität der Syrien-Problematik. Die Folgen der im Buch beschriebenen Terrorherrschaft sind die gerade nach Europa und Deutschland fliehenden Menschen. Die tragische Vergangenheit der Jihan Nawaz gibt dem Leid des syrischen Volkes ein Gesicht. Dass sie zur "8-Milliarden-Dollar-Frau" wurde, klingt fast zu schön, um in der realen Welt wahr zu werden. 

Die Figuren sind, so sie zu den "Guten" gehören, fast ausnehmend liebenswert mit kleinen Macken gezeichnet. Selbst Profikiller haben einen Ehrenkodex. Und Mitglieder des Britischen Geheimdienstes waren ja schon immer "very british", oder?  Mir persönlich gefiel, dass er ermordete "Schurke" Jack Bradshaw sich am Ende zumindest teilweise als Nicht-Schurke erwies, der im Andenken an seine ermordete Geliebte gehandelt hatte. 

Von der Sprache her ist das Buch schnell. Das heißt, die Sätze sind relativ kurz gehalten, auf das Wesentliche konzentriert, ohne steril zu wirken. Wichtige Sinneseindrücke wie der Rosenduft am Attersee oder die Atmosphäre einer südfranzösischen Kleinstadt werden trotzdem nachvollziehbar vermittelt. Viele Dialoge lockern die Handlung auf. Notwendige Erklärungen, deren der Leser bedarf, geben die Figuren sich ganz unauffällig gegenseitig. 

Ich weiß, dass es noch weitere Bücher mit Einsätzen des Gabriel Allon gibt. Vielleicht versteckt sich dort die Erklärung, warum er das idyllische Leben in Venedig aufgibt, gerade als seine Frau Chiara Zwillinge erwartet, und den Posten des Direktors des israelischen Geheimdienstes übernimmt. Von nun an Leibwächter statt Idylle und Panzerglas statt Abendwind von der Lagune. Die Logik dieses Entschlusses bleibt mir zumindest in diesem Teil verborgen. 

Alles in allem ein Buch, das ich Thriller-Lesern nur empfehlen kann. Ganz klar 5*****

Die gebundene Ausgabe (ISBN 978-3959670005) hat 416 Seiten und kostet 19,90 Euro. Das E-Book kostet 15,99 €. 


Montag, 7. September 2015

"Und morgen Du" von Stefan Ahnhem

Fabian Risk ist mit seiner Familie aufs Land gezogen. Sechs Wochen Sommerurlaub liegen vor ihm. Diesen will er mit seiner Frau und seinen Kindern verbringen und hofft so, seine angeknackste Ehe retten zu können. Leider wird es nichts mit der erhofften Idylle, denn noch vor Ankunft des Umzugsautos wird in Helsingborg eine brutal zugerichtete Leiche gefunden. Natürlich könnten die Kollegen in spe den Fall ohne Fabian angehen. Doch ein altes Klassenfoto, auf dem das Opfer mit einem Kreuz markiert ist, zeigt ebenfalls Fabian in jungen Jahren. Im Laufe der Story stellt sich heraus, dass sich jemand zielgerichtet durch diese seine ehemalige Klasse mordet. Fabian kann nicht anders, als sich tief in die Ermittlungen hineinziehen zu lassen. 

Im Gegensatz zu "Herzsammler" finde ich die Handlung weniger verwirrend. Zwar spielen auch die dänischen Kollegen wieder ein Rolle, doch diesmal gab es keinen Zweifel, wo wir uns gerade befanden. Das Muster ist ein bisschen ähnlich: Fabian muss wieder auf dem schmalen Grat zwischen Familienleben und Polizeiarbeit wandern und natürlich bleibt die Familie dabei auf der Strecke. Wieder wird der Leser und mit ihm die Polizei auf eine falsche Fährte gelockt, die doch extrem logisch sein scheint. 

Gefallen haben mir die kritischen, zwiespältigen Meinungen von Fabians neuen Kollegen zu seinem Tun. Er gerät selbst in Verdacht und nicht alle seine Schritte sind wohlüberlegt und positiv zu bewerten. Ich denke auch, dass bspw. der Tod der dänischen Tankstellenmitarbeiterin hätte verhindert werden können, wenn Fabian nicht so eigenmächtig gehandelt hätte. 

Seine Frau bleibt mir leider in ihren Motiven und ihrer Handlung etwas blass und unverständlich. Dass sie mit den Kindern verreist, obwohl ihr Mann im Krankenhaus liegt, z.B. Oder dass sie nicht mit dem Sohn in Kontakt bleibt - kann sie keine SMS schreiben? Na ja, sonst hätte die Geschichte sich nicht so entwickeln können. ;-) Dass man Krimis und Thriller auch superspannend schreiben kann, ohne SO grausam zu sein, beweisen andere Autoren. Von mir aus muss nicht jeder Autor neue Hinrichtugnsmethoden erfinden und die Grausamkeits-Skala nach oben erweitern. 

Vom zeitlichen Ablauf hier ist "Und morgen Du" übrigens die Fortsetzung von "Herzsammler", auch wenn die beiden Teile genau umgekehrt als Teil 1 und Teil 2 verkauft werden. 

Alles in allem gefiel mir dieser Teil einerseits besser, lässt andererseits aber auch ein gewisses Muster erkennen, das, falls es beibehalten wird, spätestens bei Teil 3 langweilig werden könnte. 

Fazit: 4****

Das Buch ist als Taschenbuch für 16,90 € erhältlich und hat 550 Seiten. Das E-Book kostet 8,99 €.