In diesem Blog geht es ausschließlich um Literatur oder, einfacher gesagt, um Bücher. Ihr findet hier Buchempfehlungen, meine Rezensionen zu Büchern und e-Books, die ich gelesen habe, und Hinweise auf Downloads von e-Books. Da ein Blog durch Kommentare am Leben gehalten wird, würde ich mich sehr freuen, wenn Ihr diese Funktion fleißig nutzt.

Freitag, 30. Oktober 2015

"Der Tod steckt im Detail" von Martin Krist

Ich liebe Kurzgeschichten, die ihre Leser nachdenklich zurücklassen. KurzKRIMIS sind eine spezielle Herausforderung für den Autor, denn hier möchte man bereits während des Lesens miträtseln, Motiv und / oder Täter erkennen. Martin Krist gelang es mit den meisten der 16 Geschichten, mich zu überraschen. Nicht alle sind Krimis im eigentlichen Sinne, gerade die letzen drei sind doch eher Mystery, aber auch die gefielen mir. Einige waren recht schnell durchschaubar, manche für mein Empfinden zu schnell. Alle sind gut erzählt. Der Autor schafft es, mit wenigen Worten Situation und Schauplätze so zu beschreiben, dass man fast das Gefühl hat, dabeisein. Bei "Urlaub" begann ich beinahe selbst, zu frieren und mit Kalkbrenner und die Wette zu zittern. 

 Interessant finde ich die Dreiteilung des Buches:
1. Crime Scene Berlin (6 Geschichten)
2. Thrill Nation (7)
3. Mystery World (3) 

Bei den Berliner Geschichten hätte ich gern noch mehr von Kommissar Kalkbrenner gelesen, aber über den gibt es ja eigene Bücher. Schön fand ich die Beschreibung der Schauplätze, wer Berlin kennt, wird es im ersten Teil wiederkennen. 
Der zweite Teil erschien mir am wenigsten homogen. Teilweise gab es nichts zum Rätseln, teilweise liefen zwei Handlungsstränge parallel, und es bleib lange unklar, wohin. Einige Zusammenhänge kamen sehr überraschend daher, ließen aber sofort alles zuvor Erzählte logisch erscheinen. Manchmal ging es mir etwas zu sehr durcheinander, da verknoteten sich meiner Gedanken fast schon im Kopf. 
Mystery World präsentiert keine Krimis im klassischen Sinn, aber gestorben wird immer. Mord, Selbstmord und natürlicher Tod und was sie in den Menschen auslösen, werden auf eine Weise beschrieben, die nicht ganz real zu sein scheint. Was Täter, Zeuge oder Opfer dabei empfinden, ist auf jeden Fall lesenswert.
Besonders gefallen haben mir "Schwätzer", "Dortmunds Domina 09" und "Beseelt", um mal aus jedem der drei Abschnitte eine Geschichte zu nennen. 

Wer gern Krimis und Kurzgeschichten liest, dem sei dieses Buch empfohlen. 

Fazit: 4****

Das Taschenbuch aus dem Luzifer Verlag hat 210 Seiten und kostet 9,99 €. Das E-Book ist für 4,99 € erhältlich. 



"Nachts, weit von hier" von Ulrike Schäfer

Immer, wenn ich an dieses Buch denke, schiebt mein Kopf ein zusätzliches Wort in den Titel und verändert ihn zu "Nachts, nicht weit von hier." Denn die den Geschichten beschriebenen Gefühle sind mir nicht fremd. Mit wunderbar treffenden Worten, sehr melancholisch, erzählt Ulrike Schäfer von Liebe, die nur noch Erinnerung ist, von Schuld, Angst, Tod und Trauer. Aber hier und da schimmert auch Hoffnung durch, finden Menschen neuen Mut, lassen alte, eingefahren Wege hinter sich. Und die Liebe bleibt, selbst über den Tod hinaus.

Mir haben die mit Worten gemalten Bilder sehr gefallen, die Metaphern sind, für das was die Menschen im Herzen bewegt. Unscheinbar, alltäglich und gerade deshalb vertraut und nicht weit von hier. Liebe kann sich äußern in der Art, Tomatenscheiben auf ein Brot zu legen. Liebe kennt geheime Formeln, die über die Jahre bleiben. Alte Liebe, längst vergessen geglaubt, kann nach Jahrzehnten neuen Lebensmut schenken. Und die Last, etwas Notwendiges nicht getan zu haben, bleibt für immer. 

Teilweise empfand ich die Geschichten als sehr traurig, in ihrer Schwere fast schon deprimierend. Aus der Leserunde und von der Autorin selbst weiß ich, dass dieses Empfinden weder gewollt ist, noch bei allen Lesern so ausgelöst wird. Selbst wo ich hoffnungslose Dunkelheit zwischen den Zeilen sah, entdeckten andere noch einen verheißungsvollen Lichtschimmer.

Allesamt sind es sehr berührende Geschichten, die man am besten einzeln und mit Pausen dazwischen lesen sollte, um sie wirken zu lassen. Die Sätze sind wohlformuliert, kein Wort scheint zu viel, keines zu wenig. Das Buch trägt dazu bei, den Blick nach innen zu richten, in Regionen unseres Herzens, die stets im Schatten liegen. Gerade jetzt, wenn die Welt im Novembernebelgrau versinkt, und wir Muße haben, über Vergänglichkeit und Tod nachzudenken, über die Liebe und das, was bleibt.

Fazit: nachdenkliche 5*****

Das Büchlein ist als Hardcover mit Schutzumschlag im Verlag Klöpfer & Meyer erschienen und hat 178 Seiten. Es kostet 20 €. Das E-Book ist für 14,99 € erhältlich. 




Dienstag, 27. Oktober 2015

"Tödliche Jagd" von Silvia Stolzenburg

Dies ist der erste Krimi von Silvia Stolzenburg, die manchem Leser vielleicht schon als Autorin historischer Romane bekannt ist. Das erste Kapitel ist gar nichts für schwache Nerven: Ein Mann hat nachts einen anderen ins Tigergehege in Zürich geworfen und beobachtet nun genüsslich, was der Tiger mit ihm macht. Glücklicherweise bleibt dem Leser eine Beschreibung der Details erspart, aber das Kopfkino war schlimm genug. Fast könnte man dagegen den Fund einer anderen Leiche in der Nähe des Stuttgarter Bahnhofs als Erholung empfinden. Die nackte Frau wurde "nur" erwürgt. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass es sich dabei um die ehemalige Schulfreundin der Stuttgarter Oberkommissarin Anna Benz handelt. Als ob Anna nicht schon genug Sorgen hätte, ist sie nun auch noch persönlich von diesem Fall betroffen. Schon vor dem Fund der Leiche schleppte Anna gleich einen ganzen Rucksack voller Probleme mit sich herum, die mit ihrer Vergangenheit zu tun haben.

Ich fand es spannend, parallel zur Ermittlungsarbeit immer mehr über die Figur der Anna und ihre privaten Probleme zu erfahren. Am Anfang weiß man als Leser nämlich noch gar nicht, was Anna so bedrückt, dass sie sogar die Beziehung zu Jens in Gefahr sieht. Interessant auch die Nebenfiguren wie Markus Hauer und seine Entwicklung, sowie den Schweizer Urs Wachter. Annas Verhalten ihm gegenüber hat mich grinsen lassen. Ups, habe ich mich da etwa selbst wiedererkannt? Mir gefiel die Figur der Anna vor allem deshalb so gut, weil sie sehr menschlich wirkt. Einerseits ist sie eine starke Frau, andererseits hat sie ihre Schwachstellen und dunklen Seiten, die sie nicht immer wirklich im Griff hat. Wie im wahren Leben. 

Ich glaube, ich habe noch nie einen Krimi gelesen, bei dem ich so sehr den Eindruck hatte, dass hier echte Polizeiarbeit realitätsnah beschrieben wird. Ein großes Kompliment an die Autorin Silvia Stolzenburg für ihre fleißige Recherche. Dass das Mordmotiv einerseits ein bisschen fantastisch klingt, andrerseits aber leider inzwischen von der Realität eingeholt wurde, gibt der Geschichte um Anna Benz ebenfalls eine erschreckende Realitätsnähe. 

Für mich persönlich war dieser Krimi fast ein Heimspiel, sowohl Tübingen und Stuttgart, als auch Zürich und die "Goldküste" am Zürisee sind mir bestens bekannt. Ein Extra-Lob gibt es für das richtig schöne und zur Geschichte passende Cover. 

Kleine Stolpersteinchen waren eine Handvoll Kapitelüberschriften, bei denen Datum oder Ort nicht ganz korrekt waren. Auch das ein oder andere Komma war frecherweise vom richtigen an den falschen Ort gehüpft. 
Und es heißt ganz sicher "gedieh" und nicht "gedeihte". Dafür müsste ich dem Lektor eigentlich die Ohren lang- oder einen halben Wertungsstern abziehen. ;-) Weil mir dieser Debüt-Krimi aber so ausnehmend gut gefallen hat, runde ich von 4,5 wieder auf zu 5***** und warte voller Spannung auf den nächsten Fall und die Fortsetzung der privaten Geschichte der Anna Benz.

Fazit: 5***** und absolute Leseempfehlung.

Das Taschenbuch hat 288 Seiten und kostet 12,95 €. Das E-Book ist für 7,99 € erhältlich.



"Tod in der Hofburg" von Beate Maxian

Die Wiener Journalistin Sarah Pauli ist vielen Lesern bereits aus den Teilen 1 bis 4 bekannt, die ebenfalls alle in Wien spielen. Obwohl ich weder "Die Tote vom Naschmarkt", noch "Der Tote vom Stephansdom" oder die anderen Wien-Krimis um Sarah Pauli gelesen hatte, fand ich mich mühelos in den 5. Band hinein, da die Handlung für sich abgeschlossen ist. Lediglich die Vorgeschichte von Sarah, ihren Freunden und Kollegen, kannte ich nicht. 

Das Buch beginnt mit einem vielversprechenden Prolog, in dem die Idylle des Sissi-Museums Hintergrund eines grausigen Verbrechens wird. Kurz danach werden die Journalistin Sarah und ihr Freund und Kollege David direkte Zeugen eines Doppelmordes am Neujahrsmorgen, mitten auf dem Musikvereinsplatz, als gerade das berühmte Wiener Neujahrskonzert stattgefunden hatte. Sarah, die sonst gern über Aberglaube, Magie und mystische Symbole schreibt, berichtet über das Geschehen. Teils noch traumatisiert vom Anschlag auf dem Platz, lässt die journalistische Neugier sie weiter forschen, Zeugen aufsuchen, Angehörige und Nachbarn der Opfer. Für meinen Geschmack ist hier ein bisschen viel Zufall im Spiel - natürlich kann es so sein, dass die betreffenden Leute immer gerade dann vor Ort sind, wenn Sarah dort auftaucht. Und dass sie alte Bekannte wiedertrifft, und ... und ... Parallel zu ihrer fast schon besessenen Suche und Recherche verschlechtert sich Sarahs Verhältnis zu David, sie beginnt, an der Beziehung zu zweifeln. (Das war die Stelle, an der mir die Vorgeschichte der beiden fehlte, wegen meiner Unkenntnis von Band 1 bis 4)

Die interessanteste Figur ist Michaela Adam. Eine begnadete Cellistin, die durch eine Krankheit fast alles verlor - ihren Platz im berühmten Orchester ihren Ehemann, ein normales Leben - nur die Tochter Anna ist ihr geblieben. Über eine Art Wiedereingliederung arbeitet sie in einem Café als Bedienung. Michaela war vor dem Anschlag auf dem Platz, fühlt sich nun verfolgt, beginnt ebenfalls nachzuforschen. Sie scheint allerdings ein anderes Ziel zu verfolgen als Sarah. Michaela sucht verschwundene Noten von Johann Strauss, eine Suche, die sie vor Jahren abgebrochen hatte, was mit ihrer Krankheit zusammenhing. 

Gut fand ich, dass die verschiedenen Verdachtsmomente miteinander verwoben wurden. Es war wie ein großes Puzzle - Sarah fand etwas heraus, Michaela ebenfalls, die Polizei hatte Neuigkeiten, dann waren da noch die Ereignisse aus dem Prolog, die irgendwie dazuzugehören schienen und doch nicht passten. Genau wie manch andere Puzzleteile, die sich einfach n nicht ins Bild einfügen wollten. So war ich als Leser immer wieder am Rätseln, stellte eigenen Theorien auf, verwarf sie wieder, weil sie zu unwahrscheinlich schienen. 

Sehr gut gefiel mir Wien als Kulisse. Die Architektur der Gebäude ist so wunderbar beschrieben, dass ich sie direkt vor mir sah, obwohl ich noch nie in Wien gewesen bin. Ich bekam direkt Lust, endlich einmal diese zauberhafte Stadt zu besuchen.

Die Auflösung hat mich dann nur teilweise überzeugt. Vor allem das Motiv für die Morde. Mordet jemand wirklich aus diesem Grund? Und dann noch auf solch öffentliche Weise? Dies, zusammen mit den vielen Zufällen, die Sarah der Lösung näherbrachten, lässt mich die Gesamtwertung um einen Stern reduzieren. Ansonsten ein Krimi, den ich gern empfehlen kann, und der sicher nicht nur Wienliebhaber begeistern wird. 

Fazit: 4**** und Leseempfehlung. 

Das Taschenbuch aus dem Goldmann-Verlag hat 386 Seiten und ist dafür mit 8,99 € erstaunlich günstig. Das E-Book kostet nur einen Euro weniger und ist für 7,99 € erhältlich.




Mittwoch, 21. Oktober 2015

"Der Katzenkönig" von Rainer Wochele

Das Buch "Der Katzenkönig" handelt vom Tierarzt Dr. Karl König, der gerade einige einschneidende Veränderungen in seinem Leben hinter sich hat. Seinen gut bezahlten Job in einem Pharma-Unternehmen hat er selbst gekündigt, seine Frau hat sich von ihm getrennt und ihn der ehemals gemeinsamen Wohnung verwiesen. So ist König nun, mit dreimonatiger Sperre des Arbeitslosengeldes auch finanziell ziemlich am Ende, in das Gartenhäuschen eines ehemaligen Mitschülers am Rande von Stuttgart, hoch über dem Neckar, gezogen.


Am Anfang konnte ich König wegen seiner Doppelmoral nicht leiden. Wie kann er einerseits seinen Job kündigen, weil er die Tierversuche nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, und andererseits Menschen Katzen unterjubeln, die ihren entlaufenen Lieblingen ähnlich sehen, um den Finderlohn zu kassieren? Geld stehlen, das in fremden Häusern für die Putzfrau bereitgelegt wurde? Sich von seiner neuen Liebe aushalten lassen, obwohl er selbst Geld in der Tasche hat? 

Andererseits scheint König feine Antennen zu besitzen. Die Katzen, die mit ihm im Gartenhäuschen wohnen, bekommen passende Namen großer Mediziner. Hippokrates, Sauerbruch, Frau Semmelweis ... König nimmt ihre Befindlichkeiten und ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten wahr und bringt es doch übers Herz, sie fortzugeben, um den Finderlohn zu kassieren. 

Seine Wahrnehmungen der Landschaft, der Musik, die durch die Luft schwirrt, finde ich ganz zauberhaft, fast schon poetisch. Ein widersprüchlicher Mensch, dieser König. Zum Schluss hin konnte ich mich wieder mit ihm versöhnen, brachte sogar eine Art Verständnis für sein vorheriges Verhalten auf. Vielleicht hatte ihm ja nur ein wenig Liebe gefehlt? 
Seine Gedanken zum Thema Tierversuche schreibt König auf einer alten mechanischen Schreibmaschine nieder, gespickt mit Fakten, die erschreckend und grausam sind. Was da unter dem Deckmantel der Wissenschaft geschieht, ist ein Verbrechen an den Tieren! 
Ein paar Sachen gefielen mir nicht ganz so an dem Buch: Zum einen die bereits angesprochene widersprüchliche Moral Königs. Dann die Art, wie das Tierheim ihm immer wieder Katzen herausgibt - das kann so nicht stimmen. Auch dass die Menschen sich fremde Tiere unterjubeln lassen, ihre eigene Katze nicht erkennen, ist mir als Katzen- und Katerbesitzer unbegreiflich. Jede Katze hat ihr eigenes, unverwechselbares "Miau", ihren Charakter, ihre Ohrknubbel usw., ganz abgesehen von Fellzeichnung, Größe und Gewicht. 
Sehr gut gefallen haben mir die Absätze, in denen der große Schnurrix Hippokrates zu Wort kam. Wunderbar, so könnten Katzen tatsächlich denken. Auch die sich sanft entwickelnde Liebe zwischen dem König und Lisamarie, die kleinen Gesten, wie die Gänseblümchen im Haar, die Unbeholfenheit Königs, der viel verlernt zu haben schien, gefielen mir. Königs Sinn für die kleinen Glücksmomente des Lebens machten ihn mir ebenfalls wieder sympathisch. Zwischen den Zeilen schwäbelt es stellenweise ganz schön, auch das mochte ich. Und ein Kölner musste sich natürlich auch mit hineindrängen. Nicht zuletzt auch die schöne Aufmachung mit Hardcover und Schutzumschlag machen diese kleine Büchlein zu etwas Besonderem.

Sprachlich ist mir, abgesehen von den zauberhaften Beschreibungen und bisher nie gelesenen Vergleichen zweierlei aufgefallen: Für meinen Geschmack teils etwas zu verschachtelte lange Sätze und ein für mich nicht nachvollziehbarer Wechsel zwischen Präsens und Präteritum (z.B. S. 146/147) 

Das Ende ist für mich kein wirkliches Happy End. Allerdings passt es zu meinem momentanen persönlichen Empfinden, der Unterscheidung zwischen "kleiner" und "großer" Welt. Wenn die große Welt im Chaos versinkt, der Ehrenkodex tot ist, wird das kleine Glück mit Gänseblümchen im Haar und Katze auf dem Schoß umso wertvoller. 

Fazit: Meine erste Bewertung war 4****. Im Schreiben der Rezension wurden mir all die Dinge bewusst, die diese Geschichte von anderen unterscheiden und mir sehr gefallen haben. Ich runde 4,5 Sterne auf zu 5*****. Hippokrates hätte es gefallen, glaube ich. Oder es wäre ihm egal gewesen. Auf jeden Fall bleibt es dabei: Katzen sind die Besseren.

Das Hardcoverbuch mit Schutzumschlag ist im Verlag Klöpfer&Meyer erschienen, hat 162 Seiten und kostet 20 €. Das E-Book ist für 14,99 € erhältlich.


Montag, 19. Oktober 2015

"Tote Hippe an der Strippe" von Lotte Minck

Für mich war es der erste Loretta-Krimi, für Hornbrillen-Girl Loretta Luchs ist es bereits der 5. Fall. Da habe ich wohl etwas verpasst ... Trotzdem kam ich ohne Probleme in die Geschichte hinein. Die Autorin Lotte Minck hat ein sicheres Gespür für Situationskomik. Ob es die Katerpfote ist, die direkt nach dem Besuch des Katzenklos in Lorettas Gesicht landet, der beinahe missglückte Heiratsantrag unter Beteiligung eines Hundes, die Beschreibung von Porno-Gnom und Domina-Hippe oder die kodderschnauzigen Kommentare von Frankie ... ich habe so manches Mal vergnügt vor mich hin gekichert. Dabei hat die ganze Geschichte einen ernsten Hintergrund, zumindest für die beteiligten Personen: Das Callcenter, in dem Loretta und ihre Freundin Doris arbeiten, steht kurz vor der feindlichen Übernahme. Puff-Akquise statt Sex-Hotline, so ist der Plan von Belinda, dem Pornognom, und ihrem Freund James. Dafür inszenieren die beiden und ihre Helfer eine filmreife Geschichte mit Mord (5 Zwergseidenhühner müssen sterben), Brandstiftung und Entführung. Opfer dieser Vorgänge ist Lorettas sympathischer Chef Dennis, der so dazu gezwungen werden soll, Belinda das Callcenter  zu überschreiben.

Loretta und Co. versuchen die Ganoven mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, indem sie eine noch unglaublichere Show abziehen, in der Hornbrillen-Girl zum Candy-bringt-Klasse-in-den-Puff-Männertraum mutiert und Frankie und Babsie sämtliche Klischees eines Proll-Pärchens aus dem Ruhrpott bedienen. 

Auch wenn die Worte Sexhotline, Puff, Domina, Porno ... usw. immer wieder auftauchen, ist diese Story keine Wi..svorlage, sondern eine intelligent konstruierte Geschichte mit sympathischen und gleichzeitig komischen Hauptfiguren. Einzig Lorettas Freund Pascal bleibt etwas blass, aber neben Loretta ist das vielleicht auch normal. Erstaunt war ich über die Wendung, die die Geschichte dann doch noch nahm. Aus "wir spielen Gangster um Dennis einzuschüchtern" wurde plötzlich tödlicher bzw. lebensbedrohlicher Ernst. Teilweise waren James und Belinda einfach nur doof, sonst wäre der Fall sicher anders ausgegangen. Klasse fand ich, dass Loretta und Frankie selbst in scheinbar auswegloser Situation noch lustige Sprüche draufhatten. Galgenhumor ist, wenn man zuletzt lacht oder so ähnlich. 

Das Cover passt perfekt zur Geschichte. Nur die tote Hippe war dann doch nicht mehr an der Strippe ... 

Fazit: ein fröhliches, spannendes und herrlich unterhaltsames Buch. 5***** und natürlich Lesempfehlung. 

Das Taschenbuch aus dem DROSTE-Verlag hat 304 Seiten und kostet 10,99 €. Das E-book ist für 8,99 € erhältlich. 



"Die Millionen von Neresheim" von Jochen Bender

Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Hier hat der Autor auf zwei Meldungen der lokalen Presse einen spannenden Krimi mit ebenso interessanten wie widersprüchlichen Figuren aufgebaut. 
Lydia, eine junge Psychologin, findet eine Leiche im Neckar. Bereits dieses erste Kapitel zog mich total in seinen Bann. Ich glaubte Lydias Angst zu spüren, sah tatsächlich eine Weile sie in  der Rolle der Leiche. Lydia scheint einerseits schwach, leidet selbst unter Ängsten, wird verdächtigt, mit dem Mord zu tun zu haben, da sie den Abt kannte und dies verschwieg. Andererseits ist sie stark, versucht die Ermittlerin Sultan zu beherrschen / zu verführen, was ihr auch gelingt. Auch der tote Abt hatte mehrere Gesichter. Und ein Fiesling wie Boßler muss nicht automatisch schuldig sein, nur weil man ihn nicht leiden kann. 

An vielen Stellen gefielen mir die Figuren, gerade wegen ihrer Widersprüchlichkeit. Einzige Ausnahme: die zu 99% perfekte Hauptkommissarin Anita Schenk. Trotzdem konnte ich mit keiner der handelnden Personen so richtig warm werden. Peter hätte vielleicht das Potential dazu, spielte aber zu sehr nur eine Nebenrolle. Mir fehlt einfach die Hauptfigur, der Held / die Heldin in der Geschichte, mit dem bzw. mit der ich mich zumindest teilweise identifizieren kann.

Und wieder wurde die heilige Kirche ein wenig entzaubert. Zwar konnte der anfängliche Verdacht, dass Kinderpornografie mit im Spiel ist, zum Glück ausgeräumt werden. Aber Steuerhinterziehung, Geldwäsche, geduldeter und unterstützter Traubenklau, die bewusste Belastung anderer Menschen mit Schuld ... Die Unterschiede zwischen Fiesling Boßler und den "angenehmen" Kirchenmännern wurden immer geringer. 

Auch wenn ich mit manchen Passagen des Krimis nicht unbedingt glücklich bin, so habe ich ihn trotzdem gern gelesen. Die Story ist so spannend gestrickt, dass man wirklich erst ganz zum Schluss die Auflösung erfährt. Und falls jemand meint, die Fakten seien übertrieben - DAS ist das wahre Leben! Wie das erklärende Nachwort beweist. Die Schwaben sind halt ein fleissiges Völkchen, selbst da, wo es kriminell zugeht. 

Das Cover ist mir irgendwie zu technisch. Zwar hat es mit dem Fundort der Leiche zu tun, aber ich hätte ein Foto der Abtei passender gefunden.

Fazit: 4**** und die Notiz, die wunderschöne Abtei Neresheim einmal mit eigenen Augen sehen zu wollen. 

Das Taschenbuch ist bei Oertel+Spörer erschienen, hat 270 Seiten und kostet 10,95 €. ein E-Book gibt es meines Wissens (noch) nicht. 





"Schlossteichleich" von Veronika A. Grager

Der Künstler Livio Moretti wird auf dem Christkindlmarkt am Schloss Hernstein in einem Dörfchen in der Nähe Wiens gefunden. Er wurde ermordet. Da Peter Bernauer, der Lebenspartner des Ermordeten, verschwunden ist, gerät dieser als Erster unter Verdacht. Dorli, die Gemeindesekretärin und Hobby-Ermittlerin, ist natürlich neugierig und forscht auf eigene Faust. Erst recht, als ihr Freund Lupo, Privatdetektiv, offiziell vom Vater des Ermordeten mit der Ermittlung des Täters beauftragt wird. 

Dies ist zwar der dritte "Dorli&Lupo-Krimi", für mich allerdings der erste Fall, den ich lese. Ich mag die Art, wie die Autorin schreibt, die Dialoge, in denen die Leute reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und den Dialekt, der mich an meine in wie geborene Großmutter erinnert. Insgesamt passiert in dem Buch ziemlich viel und für meinen Geschmack fast zuviel. Dass Dorlis Hund beinahe an einem Giftköder stirbt und sie von der "Hexe geschossen" wird, Lupo heimlich Motorradfahren lernt, der afrikanische Pfarrer von den Dorfbewohnern abgelehnt und seine Schwester sogar getötet wird  ...  dazu noch die "Personalrangelei" im Amtshaus, die Geschichte mit den Drogen - das alles hat nicht mit den Morden  zu tun. Dann noch die mysteriösen "Unfall"-Todesfälle, bei denen bis zum Schluss nur vermutet werden kann, dass Moretti, der italienische Mafia-Boss und Vater des Ermordeten, dahintersteckt. Wobei ich beim besten Willen kein Mordmotiv darin sehe, dass jemand seinen Sohn vor vielen Jahren mal geärgert hat. 

Trotzdem ist die Geschichte spannend geschrieben und mit einer angenehmen Portion Humor gewürzt. Lupos Begegnung mit dem Misthaufen oder das "Rendezvous" des Bürgermeisterautos mit dem Schneepflug ... Herrliches Kopfkino! Auf der anderen Seite hat der Krimi einen erschreckend aktuellen Hintergrund. Fremdenhass im weiteren Sinne - egal, ob jemand schwarz oder schwul ist. Anderssein genügt, um ausgegrenzt oder gar getötet zu werden. Was muss in den Köpfen und Herzen dieser Menschen vorgehen, die brav jeden Sonntag in die Kirche traben? 

Die private Geschichte von Dorli und Lupo wurde sehr schön mit den kriminellen Ereignissen verknüpft und erhält für meinen Geschmack die richtige Wendung. 

Das Cover ist mir persönlich zu blass und zu poetisch und passt meiner Meinung nach weder zur Geschichte noch zu den beiden ersten Dorli-Krimis "Sautanz" und "Saupech". Den Titel "Schlossteichleich" finde ich allerdings super. 

Fazit: 4**** 
Insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt und würde mich über ein baldiges Erscheinen des 4. Bandes und ein Wiedersehen mit Dorli, Lupo und Anni sehr freuen. 

Das Buch ist im emons-Verlag erschienen, hat 240 Seiten und kostete als Taschenbuch 9,90 €. Das E-Book kostet 8,49 €.


Dienstag, 6. Oktober 2015

"Fünf" von Ursula Poznanski

Dieses Buch wurde mir in einer Geocacher-Gruppe empfohlen, und ich fand die Idee, Thriller + Geocaching zu kombinieren, super. Der Prolog verrät bereits, dass es nicht unblutig abgehen wird. Danach werden wir auf eine idyllische Almwiese entführt, wo die Kühe feststellen, dass sie Gras lieber mögen, als eine weibliche Leiche. Kühe gehen ja auch nicht geocachen ... Die Salzburger Ermittler Florin Wenniger und Beatrice Kaspary dagegen schon. Sie lernen schnell, was es mit der Jagd nach Tupperdosen, die in der schönen Landschaft versteckt sind, auf sich hat. Dass in den Dosen Leichenteile warten, ist bei diesem Hobby ansonsten aber unüblich. 

Der Schreibstil von Ursula Poznanski gefällt mir. Sie verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten, alles gehört irgendwie zusammen, wie die Teilchen eines großen Puzzles, auch wenn lange Zeit gar nichts zueinander zu passen scheint. Obwohl wir als Leser wohl beinahe so lange brauchen wie das Ermittlerteam, um dem wahren Täter auf die Spur zu kommen. Besonders gefallen hat mir, dass man die "Stages" auf der Karte aufsuchen konnte und so das Gefühl hatte, direkt an der Jagd beteiligt zu sein. Die genaue Angabe der GPS-Koordinaten, die Teil der Jagd sind, macht dies auch dem Leser möglich. Bei den Ortsbeschreibungen fiel mir auf, dass die Autorin Wert auf Geräusche legt, die sie uns mit wenigen, treffenden Worten, und teilweise wieder diesem typischen Humor, nachvollziehbar vermittelt. Da kann eine österreichische Autobahn schon mal wie Meeresrauschen klingen, wenn das Alpenland denn schon kein Meer hat.

Dass die Ermittler auch noch ein Privatleben haben, macht sie menschlich. Besonders Bea, in ihrem Stress mit Achim, dem Ex-Mann, der teilweise die Kinder gegen sie ausspielt. Aber auch Florin mit seiner Fernbeziehung und seinem Sinn für kulinarische Genüsse. Zwischen den Zeilen hatte ich allerdings immer wieder das Gefühl, dass es zwischen Bea und Florin ein bisschen knisterte. Auch ein Grund, "Blinde Vögel" zu lesen, wo der private Hintergrund weitererzählt wird. 

Die Auflösung von "FÜNF" kam für mich nur teilweise überraschend. Einen Verdacht in diese Richtung hatte ich schon eher. Wie perfide dieses Spiel aber wirklich war und welche Rolle die Polizei dabei spielte, das ist schon genial erdacht. 

Für alle, die noch nie mit Geocaching zu tun hatten, ist das Buch übrigens sehr lehrreich. Bea arbeitet sich schrittweise in das Hobby ein, und als Leser lernt man quasi nebenbei mit. Wobei ich versichern kann, dass Leichenteile in Tupperdosen sonst nicht üblich sind. 

Fazit: 5***** und unbedingte Leseempfehlung, nicht nur für Geocacher. 

TFTH 

Das Taschenbuch hat 384 Seiten und kostete 9,99 €. Das E-Book kostet genau so viel. 


Donnerstag, 1. Oktober 2015

"Morgen ist ein neues Leben" von Kerstin Hohlfeld

Helena, eine erfolgreiche Berliner Chirurgin, Tanja, eine junge Frau, die im Supermarkt an der Kasse sitzt, und Valentina, Tierärztin auf Malaysia. Ihre Lebensgeschichten werde auf Malaysia auf wundersame Art miteinander verwoben. Dass Tanja Valentinas Tochter ist, wird ziemlich schnell klar. Aber warum haben die Großeltern Tanja gesagt, ihre Mutter wäre seit über 20 Jahren tot? Und warum lebt Valentina auf Malaysia, ohne ihre Tochter? 

Das Buch erzählt auf fast schon poetische Weise von Frauen, die ihre Sehnsüchte und Schwächen haben. Manchmal sind sie im entscheidenden Augenblick stark, manchmal fällen sie falsche Entscheidungen mit weitreichenden Folgen. Doch tief in ihrem Herzen ist ganz viel Liebe. Ihre Geschichten werden auf Malaysia miteinander (neu) verwoben. Alle drei erkennen, was ihnen wirklich wichtig ist. Die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, wiegen schwer. Besonders die Rückblenden auf Valentinas Leben Ende der 1980er / Anfang der 1990er Jahre fand ich teilweise heftig. Wie können Eltern so sein! Fassade ist alles, dahinter emotionale Einöde. Und immer das Bedürfnis, Macht auszuüben, einen Menschen nach ihren Vorstellungen zu formen, zu verbiegen. Erst die Tochter Valentina, dann die Enkelin Tanja. Beide finden ganz unterschiedliche Wege, damit umzugehen. Valentina wollte damals die Beste sein, Anerkennung bekommen, ihr Studium hervorragend abschließen. Tanja lässt sich gehen, hat keine Ehrgeiz, kein Selbstbewusstsein, das ist ihre stille Art des Protestes. Beiden gelingt es, auszubrechen, beide fliegen nach Malaysia, mit über 20 Jahren Abstand. Witziges Detail am Rande: wie die Ankunfts-Szenen sich ähneln! 

Manchmal braucht es einen Wechsel der Perspektive, um klar zu sehen. Schade finde ich, dass es, wie in Valentinas Fall, viele Jahre gedauert hat. Dass sie nicht damals schon die Stärke fand, sich gegen ihre Eltern durchzusetzen. Im Gegenteil, sie redete sich selbst ein, dass es für Tanja besser wäre, bei den Großeltern, im gewohnten Umfeld zu bleiben. Eine Schutzbehauptung, um der Auseinandersetzung mit den Eltern aus dem Weg zu gehen? Ich finde es einerseits sehr schön und ergreifend, wenn Menschen nach vielen Jahren wieder zueinander finden. Aber es ist auch schade um die verlorene Zeit, die sie miteinander hätten haben können. 

Dies ist kein Buch, das man nach dem Lesen einfach beiseite legt. Die Emotionen, die Fragen, die sich die Frauen stellen, wirken ansteckend. Was ist mir wichtig in meinem Leben? Weiß ich das Glück zu schätzen, das ich habe? Bin ich bereit, dafür einzustehen, mich auch unbequemen Fragen zu stellen, Entscheidungen zu treffen? 

 "Morgen ist ein neues Leben" regt nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Träumen an. Das beginnt schon mit dem schönen Cover. Besonders gefallen hat mir die Beschreibung der Insel, ihrer paradiesischen Tier- und Pflanzenwelt. Ich war noch nie auf Langkawa, aber jetzt möchte ich dort hin! Ich möchte auch die kleinen Äffchen füttern, die Nashornvögel fliegen sehen, den Duft der exotischen Blumen riechen. Und ins warme Meer eintauchen ... 

Fazit: 5***** und Leseempfehlung. 

Das Taschenbuch hat 368 Seiten und kostet 9,99 €. Das E-Book gibt es für 8,99 €.