In diesem Blog geht es ausschließlich um Literatur oder, einfacher gesagt, um Bücher. Ihr findet hier Buchempfehlungen, meine Rezensionen zu Büchern und e-Books, die ich gelesen habe, und Hinweise auf Downloads von e-Books. Da ein Blog durch Kommentare am Leben gehalten wird, würde ich mich sehr freuen, wenn Ihr diese Funktion fleißig nutzt.

Montag, 19. September 2016

"Memox" von Peter Pakulat

Im Mai des Jahres 2018 geschehen merkwürdige Dinge. In China bebt die Erde und plötzlich steht ein riesiger Kubus mitten in der Natur. In Berlin fallen gefrorene, blutige, rechte Augäpfel vom Himmel, Bäume flimmern wie das Fernsehtestbild und die Spree scheint kurzzeitig ihre Laufrichtung zu wechseln. Der Journalist Kay Zandersen wittert die Chance auf DIE große Story und sammelt gemeinsam mit seinem chinesischen Praktikanten Wang weiter Unregelmäßigkeiten, die in diesen zwei Minuten des 21.5.2018 geschehen sind. Die Geschichte springt ins Jahr 2294 zu Nuunu, die rätselhaft bleibt. Zweihundert Jahre alt, im Körper eines zehnjährigen chinesischen Mädchens, scheint sie die Schöpferin (eines Großteils) der Welt zu sein, in der sie gefangen ist. Mit ihr, als wohl wichtigster Figur des Buches, wurde ich nicht richtig warm. Zu unnahbar, verwirrend in ihrem Denken, Reden und Tun schien sie mir. Eine schöne Metapher allerdings ist Nuunus Motiv: die Suche nach der Mutterliebe und Geborgenheit, die sie nie erlebte, da ihre Mutter bei ihrer Geburt verstarb. Beide Erzählstränge laufen zusammen, plötzlich scheint eine tiefe Logik hinter den seltsamen Ereignissen in Berlin zu stecken. Selbst für die vom Himmel gefallenen Augäpfel gibt es eine schlüssige Erklärung. Dann wird es wieder verwirrend. Die Zukunft des Jahres 2294 wird so fremd und anders gezeichnet, dass man glaubt, auf einem anderen Planeten zu sein und nicht in Berlin. Die locker eingestreuten Verweise auf vergangene "Glaubenskriege" u.ä. und die Zeittafel am Ende des Buches zeichnen ein düsteres Bild der Entwicklung unserer Welt, und schuld sind natürlich die Anderen. Die aus Afrika nach Sizilien drängen, die Türken, die Muslime ... Sorry, das geht mir entschieden zu weit. Das ist versteckte Propaganda, die in eine Richtung läuft, die ich gar nicht mag. Man hätte die Veränderung der Welt durchaus anders erklären können.

Montag, 12. September 2016

"Wie die Waschbären die Liebe retteten" von Christine von Vügt

Die Geschichte vom Olivia und Max wäre eine recht simple Liebesgeschichte ohne die Waschbären. Olivia hat sich von ihrem Exmann getrennt und wartet darauf, dass dieser ihr die Scheidungspapiere unterschreibt. Gleichzeitig sucht sie einen Käufer für den Bauernhof ihre Mutter, die vor Kurzem gestorben ist. Stattdessen (bruch-) landet Max auf der Weide vor ihrem Haus, ein Hagelflieger, der selbst gerade Einiges in seinem Leben verändern will. Und dann sind da noch die drei Waschbären, die aus Gründen, die anfangs nur ihr Anführer Bo kennt, bei Olivia einziehen. 

Gefallen hat mir besonders die Erzählung aus Sicht des Waschbären. Man merkt, dass die Autorin diese faszinierenden Tiere genau beobachtet hat. Die drei putzigen Gesellen ließen mich beim Lesen immer wieder lächeln und fast wünschte ich mir auch solche Haustiere. Aber Waschbären sind keine Haustiere und sie "denken" sicher auch nicht so, wie im Buch beschrieben. Der Grund, warum Bo die Menschennähe sucht und wie er versucht, sie nachzuahmen, ist aus meiner Sicht einfach nur albern und hat nichts mit echten Waschbären zu tun. Hier driftet die Geschichte zu sehr ins Fantastische ab. 

Ansonsten solide Unterhaltung mit Zweien, die sich verlieben, wie für einander geschaffen sind, und doch ein paar Hürden überwinden müssen. Die Figuren bleiben relativ flach, klischeehaft, es gibt gute und böse, bzw. weniger gute. Zwar wird erklärt, warum sie dies und jenes tun, aber nachvollziehen konnte ich ihre Beweggründe nicht immer. Auch dass Jonathan sich erst so spät "outet", war für mich absolut unverständlich. Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen, weil es unterhaltsam ist und  unter all den Klischees auch ein paar versteckte Wahrheiten (Waschbärenweisheiten) enthält. Das Cover gefällt mir sehr gut. Die Sprache ist einfach zu lesen, ein schönes Buch zum Abschalten. 


Fazit: Wer Liebesgeschichten und Tiere mag, wird dieses Buch mögen. 3***

Das Taschenbuch ist im Mondavi Verlag erschienen, hat 268 Seiten und kostet 12,99 Euro. Das E-Book ist für 9,99 € erhältlich. 


"Die langen Tage von Castellamare" von Catherine Banner

"Die langen Tage von Castellamare" ist die Geschichte der Familie Esposito. Sie beginnt mit der heimlichen Abgabe des Findelkindes Amedeo im Waisenhaus von Florenz im Jahre 1875. Als Leser begleiten wir Amedeo und seine Nachkommen bis in die Gegenwart. Auf der kleinen fiktiven Mittelmeerinsel Castellamare vor der Küste Siziliens ist das Leben der Familie Esposito eng mit der Entwicklung der Insel und ihrer Bewohner und mit dem großen Weltgeschehen verbunden. Auch wenn es auf den ersten Blick scheint, als würde Castellamare so weit fort von Allem liegen, dass die Bewohner hier in ihrer jahrhundertealten Tradition immer so weiterleben, wie bisher, hinterlassen große Ereignisse auch ihre Spuren auf Castellamare. Weltkriege lassen Söhne der Insel nicht zurückkehren, spülen aber neue Figuren an den Strand der kleinen Insel und auch der technische Fortschritt findet seinen Weg nach Castellamare. Hier wird jedes Jahr das Fest der heiligen Agatha, der Schutzheiligen der Insel, begangen. Mitten in dieses Fest platzt Amedeo, der es geschafft hat, als Waisenkind Medizin zu studieren und sich nun als Arzt auf der Insel niederlässt. Mit im Gepäck hat er sein Geschichtenbuch, in das er seit seiner Kindheit Geschichten einträgt, die andere ihm erzählen und die ihn faszinieren. 

Wir erfahren in diesem Buch sehr viel über die italienische Lebensart. Auf der Insel wird geliebt und gestritten, gefeiert und getrauert, Freundschaften und Feindschaften werden über Jahrzehnte aufrecht erhalten und über allem scheint der Geist der heiligen Agatha zu schweben. Wir begleiten Amedeo, seine Kinder, Enkel und Urenkel, haben teil an ihren persönlichen Triumphen und Niederlagen. Die Familie lebt im "Haus am Rande der Nacht", einem Café, das zum Mittelpunkt der Ereignisse wird. 

Die Geschichte lebt vor allem von ihren vielen kleinen Details und liebenswerten Figuren, die alle ihre Ecken und Kanten haben. Niemand ist perfekt, aber alle haben ihre kleinen Träume und Wünsche, und in der Familie Esposito ist man bereit, viel dafür zu tun, dass diese wahr werden. Auch viele der anderen Inselbewohner habe ich im Laufe der Geschichte ins Herz geschlossen. Am Ende des Buches kam Wehmut auf, als ich das "Haus am Rande der Nacht" wieder verlassen musste.

Wer wundervoll gewobene Geschichten liebt, wird hier bestens unterhalten. Das Buch ist gut recherchiert, was den historischen Hintergrund angeht, und überzeugt mit einer wohlformulierten, wunderbar leicht zu lesenden Sprache. Man bekommt Sehnsucht nach der Insel ... Einziges Manko: Es gibt kein Verzeichnis über die Lebensdaten der vielen Nebenfiguren. Sie sind zwar alle unverwechselbar, aber bei einigen hatte ich das Gefühl, sie würde ewig leben und nie altern. Und das schöne Foto auf dem Cover zeigt leider keine der Figuren der Geschichte. Das schmälert aber nicht das Lesevergnügen. Also am besten nicht auf die beiden Mädchen warten, einfach in die Geschichte abtauchen und genießen.

Fazit: eines der besten Bücher, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Eindeutige Leseempfehlung und 5*****

Das Buch ist als Hardcover mit Schutzumschlag im List Verlag erschienen, hat 480 Seiten und kostet 18 Euro. Das E-Book ist für 14,99 € erhältlich.