In diesem Blog geht es ausschließlich um Literatur oder, einfacher gesagt, um Bücher. Ihr findet hier Buchempfehlungen, meine Rezensionen zu Büchern und e-Books, die ich gelesen habe, und Hinweise auf Downloads von e-Books. Da ein Blog durch Kommentare am Leben gehalten wird, würde ich mich sehr freuen, wenn Ihr diese Funktion fleißig nutzt.

Dienstag, 22. Dezember 2015

"Oh Schreck, du fröhliche!" (Anthologie)

Jeden Tag eine Adventsgeschichte lesen oder vorlesen, auch so kann ein Adventskalender aussehen. "Oh Schreck, du fröhliche" vereint 24 Geschichten unterschiedlicher Autoren mit interessantem Hintergrundwissen um Weihnachtsbräuche, Christbaum, Geschenke usw. Die Geschichten sind, wie der Titel schon vermuten lässt, oft mit Überraschungen gespickt. Da bleibt schon mal der Koffer mit den Geschenken zuhause stehen, während die Familie über die Feiertage nach Ägypten düst. Aus "wir schenken uns nichts" wird Einkaufsstress in letzter Minute und die Schwiegermutter verschenkt mit süffisantem Lächeln eine hautfarbene Miederhose ... Von leisem Grinsen bis zum lauten Lachen (21. "Das Krippenspiel") war alles dabei. Mit etwas Nachdenken blieb mir allerdings manch ein Lachen im Halse stecken, wenn mir bewusst wurde, wie der Sinn von Weihnachten schon längst von Konsumterror und der krampfhaften Suche nach Besinnlichkeit verschüttet worden ist. 

Doch da sind auch noch andere Geschichten, in denen sich Menschen überraschend näher kommen. Der Schwarm aus der Schulzeit, der am Heiligabend plötzlich ganz unromantisch am Altglascontainer auftaucht. Die Jungs von der Feuerwehr, die am Heiligabend endlich wieder mit den großen roten Autos spielen dürfen. Und ein wertvolles Geschenk, verschenkt von jemandem, der selbst nichts hat, aber sein Lächeln um die Welt schickt. Diese Art von zu Herzen gehenden Geschichten gefiel mir am besten. So ist es eben mit Anthologien - ähnlich wie bei einem reich gedeckten Buffet ist für jeden Geschmack etwas dabei. 

Einziger Minuspunkt: Bei den Geschichten steht nicht, wer sie jeweils geschrieben hat. Ich fürchte, das liegt am "Schwiegermutter-wieder-erkenn-Effekt", da es sich zumindest teilweise um wahre Begebenheiten handelt. Im Anhang finden wir allerdings eine Aufstellung der beteiligten Autoren mit Kurzvita. Bei einigen wenigen steht auch dabei, welche Geschichte sie zu diesem Buch beigetragen haben. Trotzdem finde ich diese Anonymität der Verfasser schade und ziehe dafür einen halben Stern ab. (Da es keinen halben Stern gibt, runde ich doch wieder auf. 😉)


Fazit: 5***** und der Hinweis an Euch, sich diesen Adventskalender schon mal vorzumerken für den Advent 2016.
Das Taschenbuch aus dem Eden Books Verlag hat 384 Seiten und kostet 9,95 Euro. Das E-Book ist für 7,99 Euro erhältlich. 


Freitag, 18. Dezember 2015

"Kleines Hundeherz sucht großes Glück" von Petra Schier

Manchmal brauchen wir ein Märchen, um nicht zu vergessen, dass auch heute noch Wunder geschehen können. Die Vorweihnachtszeit ist die perfekte Kulisse für solch zauberhaftes Geschehen. In diesem Buch geht es um zwei Menschen und einen kleinen Hund, der treffenderweise den Namen Amor trägt. Lidia und Noah begegnen sich in der Sozialstation, wo Noah sich als Sozialarbeiter um bedürftige Menschen kümmert und Lidia ehrenamtlich als Köchin aushilft. Bei beiden "funkt" es, aber sie verbergen ihre Gefühle voreinander. Vor allem Noah hat teilweise nachvollziehbare Gründe dafür. Hier kommt der kleine Hund ins Spiel, ein weißer Wuschel namens Amor. Dass er im Kontakt mit den Weihnachtselfen steht, die wiederum mit dem Weihnachtsmann einen Plan ausgeheckt haben, macht die Geschichte so märchenhaft. 

Trotzdem ist das Buch kein Märchen für Kinder, sondern für Erwachsene, die sich ihren Glauben an Märchen bewahrt haben. Zwischen den Zeilen prickelt und knistert es manchmal ganz gewaltig und wir werden Zeugen ungestümen Liebesspiels. Doch wie in den alten Märchen muss der Held erst ein Ungeheuer besiegen, bevor er die Prinzessin endgültig in seine Arme schließen darf und "... lebten sie glücklich bis an das Ende ihrer Tage" erscheint. In diesem Fall ist das "Ungeheuer" Noahs Vergangenheit, die ihn nicht nur gedanklich immer wieder einholt und in Panik versetzt.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es vermittelt auf zauberhafte Weise Weihnachtsstimmung. Dazu zählen für mich nicht nur Schneeflocken, die gelungene Beschreibung des Weihnachtsmarktes und Lidias verführerisches Backwerk, sondern auch die menschliche Wärme gegenüber den Obdachlosen und "Problem-Kids" in der Sozialstation. Diese Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft passt besonders gut in die besinnliche Vorweihnachtszeit. Aber so wie die Sozialstation ganzjährig arbeitet, sollten auch wir die Menschen, die weniger haben als wir, das ganze Jahr über nicht vergessen. Das ist für mich eine Botschaft zwischen den Zeilen.


Fazit: Eine schöne, zu Herzen gehende Geschichte, mit der man sich so richtig schön einkuscheln kann. Klare Leseempfehlung und 5*****

Das Taschenbuch aus dem Mira-Verlag hat 304 Seiten und kostet 9,99 Euro. Das E-Book ist zum selben Preis erhältlich. 


Donnerstag, 10. Dezember 2015

"Schuldfrei" (Ein Wien-Krimi) von Gerlinde Friewald

Dieses Buch beginnt heftig: Sechs alte Menschen hängen an Kreuzen, sind gerade dabei, zu sterben. Warum? Das versuchen der Profiler Nick Stein und sein Team herauszufinden. Die Figuren der Ermittler gefallen mir sehr gut. Nick, Samantha und der hinzugekommene Arno sind glaubwürdige, sympathische Charaktere. Einzig Sams Gefluche ging mir ein bisschen zu weit. Relativ schnell findet das Team heraus, welche gemeinsame Vergangenheit fünf der sechs Mordopfer verbindet. Das sechste Opfer will zunächst nicht ganz ins Bild passen. Ungefähr ab der Mitte des Buches war klar, in welche Richtung es geht und wer die Verdächtigen sind. Dass diese nicht intensiver verhört und überprüft wurden, wunderte mich ein wenig. 

Fast scheint es mir als Leser, als hätte es diese schreckliche Art von Missbrauch in Kinderheimen nur in Österreich gegeben. (Siehe auch "Als Gott schlief", von Jennifer B. Wind). Entweder gehen die Österreicher das Thema offensiver an oder ich bin bisher nur nicht über ähnliche Bücher gestoßen, die diese Thematik in Deutschland behandeln.

Regional-Krimis liegen ja schon länger im Trend. "Schuldfrei" trägt den Untertitel "Ein Wien-Krimi", der meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt ist. Von einem Regional-Krimi erwarte ich zumindest etwas Flair und Atmosphäre der Region bzw. Stadt, die als Schauplatz dient. Gerade Wien bietet sich wunderbar dafür an. Es dürfen gern auch ein paar Klischees bedient werden. Um so größer meine Enttäuschung, dass hier NULL Wien zu spüren war. Die Handlung hätte sonst wo spielen können, was sie größtenteils ja auch tat. Hier wurde die Chance vertan, dem Leser einen wirklichen Regional-Krimi zu bieten.


Insgesamt hat mir das Buch trotzdem ziemlich gut gefallen, was vor allem an den bereits genannten Ermittlerfiguren liegt. Von ihnen würde ich gern mehr lesen. Ich gäbe dem Buch gern 3,5 Sterne. Es ist besser als 3*** aber nicht ganz 4****, finde ich. Da es ganze Sterne sein müssen, runde ich auf 4**** auf.

Das Taschenbuch ist im Sutton Verlag erschienen, hat 272 Seiten und kostet 12,99 Euro. Das E-Book ist für 9,99 Euro erhältlich. 


Mittwoch, 9. Dezember 2015

"Schreie im Nebel" (Ein Bodensee-Krimi) von Tina Schlegel

Diesen Bodenseekrimi wollte ich unbedingt lesen, da ich selbst sieben Jahre in der schönen Gegend gelebt habe, allerdings ohne kriminelle Ereignisse. 

Die erste Leiche wurde auf ungewöhnliche Weise in einer alten Fabrikhalle präsentiert. Kommissar Paul Sito, der Fallanalyst Roman Enzig, Polizeirat Kerler und seine schöne junge Tochter Miriam, die Zeichnungen der Leichen anfertigte, bevor diese gefunden werden ... sie alle sind sehr unterschiedliche, interessante Charaktere mit Stärken und Schwächen, die sehr menschlich wirken. Der Fall scheint verworren, es bleibt nicht bei einer Leiche, und der Verdacht "wandert" zwischen verschiedenen Figuren hin und her. Tina Schlegel gelingt es, Spannung aufzubauen und bis zum Schluss zu halten. Das Kopfkino, das beim Lesen entsteht, ist oft nicht schön, aber genau das ist gewollt und hat mit dem Mordmotiv zu tun. 

Das Cover stimmte herrlich auf den typischen Bodenseenebel ein, der im Herbst oft tagelang keinen Sonnenstrahl durchlässt und ganz schön deprimierend wirken kann. Viel mehr Bodenseeflair gab's dann aber leider nicht. Hier wurde meiner Meinung nach eine große Chance vertan, dem Leser die typische Seeatmosphäre zu vermitteln. Orte werden genannt, mehr nicht. Schade, von einem Regionalkrimi erwarte ich mehr. Dafür bekommt der Leser geschickt verpackt vermittelt, warum Fleisch essen, Pelz tragen usw. schlecht ist. Im Großen und Ganzen stimme ich Tina Schlegel zu, auch wenn ich kein Vegetarier bin. Letztendlich geht mir die Gleichstellung von Tier- und Menschenmord aber spätestens dann einen Schritt zz weit, wenn das Eine als Rechtfertigung für das Andere dient. Da hätte ich am Ende doch ein klar gesprochenes Urteil erwartet. 

Auch bleiben aus meiner Sicht zu viele Fragen offen. Es werden Andeutungen gemacht, die Vergangenheit der Hauptfiguren betreffend, aber nicht alles wird aufgelöst. Manches Motiv für bestimmte Handlungen und Gedanken scheint immer noch im Nebel zu liegen. Das schreit geradezu nach einer Fortsetzung mit hoffentlich weniger Nebel und mehr Bodenseeatmosphäre. 


Fazit: 4**** für eine ungewöhnliche, spannende Mordgeschichte mit interessanten Figuren und Gedanken. 

Das Taschenbuch ist im Emons-Verlag erschienen, hat 384 Seiten und kostet 11,90 Euro. Das E-Book ist für 9,49 Euro erhältlich.

Das Cover erinnert mich an das Cover der CD "No Line on the Horizon" von U2, was auch im Bodenseenebel aufgenommen wurde.

"Bedingungslos geliebt" von Timothy Keller

Das Gleichnis "Vom verlorenen Sohn" dient dem Autor als Grundlage, über die Liebe Gottes nachzusinnen. Dieses Gleichnis, das ich seit meiner Kindheit kenne, interpretiert Timothy Keller auf eine für mich neue Weise. Es geht hier nicht um einen verlorenen Sohn, sondern um zwei. Im Allgemeinen wird ja der jüngere Bruder, der vom Vater die Auszahlung seines Erbes verlangt, dies im Ausland verprasst und schließlich reumütig nach Hause zurückkehrt, als der verlorene Sohn bezeichnet. Timothy Keller erklärt auf nachvollziehbare Weise, warum auch der auf den ersten Blick rechtschaffene Weg des älteren Bruders falsch ist. Wow! Plötzlich wurde mir Vieles klar. Hatte ich mich doch schon lange in der christlichen Gemeinde nicht mehr wohlgefühlt, mich an "Scheinheiligkeit" und Selbstgerechtigkeit der "älteren Brüder" (und Schwestern) gestört. 

Doch der Autor klagt nicht an, keinen der beiden Brüder. Weder die aus dem neuen Testament, noch die, von denen wir heute umgeben sind und zu denen wir ebenfalls gehören. Ganz im Gegenteil, Timothy Keller zeigt anhand dieses und anderer Gleichnisse, die Jesus erzählte, dass Gottes Liebe wirklich bedingungslos ist. Wir können sie nicht "erkaufen", indem wir uns wohlgefällig wie der ältere Bruder verhalten. Und wir verlieren sie auch nicht, wenn wir wie der jüngere Bruder vom rechten Weg abkommen. Eine tröstliche Vorstellung. Aber der Autor geht noch einen Schritt weiter. Aus dieser bedingungslosen Liebe, die er ausführlich beschreibt, erwächst eine geradezu logische Verpflichtung, sich dieser Liebe würdig zu erweisen, es Jesus nachzutun und ebenfalls bedingungslos zu lieben und Gutes zu tun. Und zwar nicht, damit wir es "irgendwann im himmlischen Paradies" einmal guthaben werden, sondern damit diese Erde ein Ort wird, wie Gott ihn gewollt hat. Was für ein schöner Gedanke, was für eine Aufgabe - welch frohe Botschaft! 

Damit ist es dem Autor tatsächlich gelungen, mein Verständnis von Glauben und Schuld vom Kopf auf die Füße zu stellen. Herzlichen Dank, dass ich dieses Buch lesen durfte. 


Fazit: 5***** und unbedingte Leseempfehlung für alle, die sich fragen, ob Glaube heute noch möglich ist.

Das Softcover-Buch ist im fontis-verlag erschienen, hat 144 Seiten und kostet 12,99 Euro. Das E-Book ist für 10,99 Euro erhältlich. 




Donnerstag, 3. Dezember 2015

"Diridari" von Susanne Rößner

Diridari ist im bayrischen Dialekt ein Ausdruck für Zahlungsmittel jeglicher Art. Diridari zieht sich wie ein roter Faden durchs Buch, denn es geht hier um Geld und was Menschen bereit sind, dafür zu tun. Wie weit echte  Verbrecher gehen, war einerseits gruselig, andererseits nicht sehr überraschend. Dass aber auch sogenannte rechtschaffene Bürger bei der Aussicht auf viel Geld ihr Bewusstsein von Recht und Unrecht "korrigieren", ist beängstigend. 

Der Krimi beginnt mit einer Entführung. Miriam Freundin, die gleichzeitig eine Freundin von Sauerweins Schwester ist, meldet diese als vermisst. Kommissar Sauerwein nimmt sich deshalb des Falls an, obwohl er nicht in sein Ressort fällt. Von da an wird es turbulent. Mehrere Wohnungseinbrüche, bei denen Gemälde, Schmuck und Ähnliches von jeweils weit über 100.000 Euro gestohlen werden, beschäftigen die Polizei um Rosenheim. Merkwürdigerweise finden sie an den Tatorten immer die Fingerabdrücke eines Mannes: Matthis Ammler, der angeblich vor einem Jahr bei einem Schiffsunglück in der Ostsee ums Leben kam. 
Sauerwein, Eva und Kollegen ermitteln in unterschiedliche Richtungen. 
Spannend ist auch die menschliche Seite der Ermittler. Sauerwein hat sich verliebt, Eva hat einen Freund, der zumindest einer Meinung nach zu sehr im Hintergrund bleibt. Max benimmt sich zunehmend merkwürdig. Wer den ersten Teil "Fangermandl" gelesen hat, erinnert sich bestimmt noch an Kristina. Auch sie ist wieder mit dabei. 

Sehr interessant fand ich die Entwicklung der Entführungsgeschichte, die zunächst scheinbar gar nichts mit den Einbrüchen zu tun hat. Das Verhältnis zwischen Entführer und seinem Opfer verändert sich, Der Begriff "Stockholm Syndrom" kam mir in den Sinn. Wie man wirklich in so einer Ausnahmesituation empfindet, ist schwer vorstellbar. 

Gut gefallen haben mir auch die Nebenfiguren, zum Beispiel Gerda Siebert, die in der Nähe der ehemaligen LPG lebt, und ihr Sohn mit seinen Freunden. Selbst in brenzligen Situationen schafft die Autorin es immer wieder, auch die komische Seite zu zeigen. Witzige Wortschöpfungen wie "Stinkschwalbe" und "Schleimwalt" (Schleimer + Anwalt) werden mir wohl auf ewig im Gedächtnis bleiben. 

Fazit: Ein spannender Krimi mit einer Prise Humor und einer ungewöhnlichen Auflösung. Empfehlenswerte Lektüre. 5*****

Das Taschenbuch ist im Emonsverlag erschienen, hat 368 Seiten und kostet 11,90 Euro. Das E-Book ist für 9,49 Euro erhältlich. 


Montag, 30. November 2015

"Meyerling ermittelt in Düsseldorf" von Susann Brennero - Dreißig Rätsel-Krimis

Dreißig Kurzkrimis laden den Leser zum Miträtseln ein. In jeder kriminellen Kurzgeschichte sind Fakten versteckt, die auf den wahren Täter deuten. So wird der Leser animiert, Kommissar Meyerling gedanklich zu folgen und zu den gleichen Schlüssen wie er zu kommen. Das scheint am Anfang kniffelig, denn man muss wirklich schon sehr genau lesen. Manchmal ist auch Insiderwissen gefragt - z.B. wusste ich nicht, dass Münchener Hell ein Hefeweißbier ist. Alles in alles sind es unterhaltsame Krimis, die ganz nebenbei die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und liebenswertesten Ecken Düsseldorfs vorstellen. Somit weckte das Büchlein zumindest bei mir die Lust, diese schöne Stadt einmal zu besuchen und auf Meyerlings Spuren zu wandeln.

Die Sprache kommt mir manchmal etwas ungewohnt vor, was Satzbau und Formulierungen angeht. Nicht falsch, aber irgendwie anders. Vielleicht reden die Düsseldorfer so, wenn sie nicht Dialekt reden? ;-)

Diese Art von kurzem Rätselkrimi findet man sonst eher in der Wochenendbeilage der Lokalzeitung. Und das ist auch gut so. Denn hier zeigte sich zumindest für mich das einzige Manko dieses Büchleins - es mindert das Lesevergnügen, wenn man die Rätselkrimis mit zu kurzem zeitlichen Abstand oder gar direkt hintereinander weg liest. Dann ist das Prinzip irgendwann durchschaut, weiß man beim Lesen, auf welche Informationen man besonders achten muss und hat teilweise den Täter schon vor Meyerling überführt. 


Fazit: Spannende Unterhaltung für Krimifreunde, die selbst mitdenken möchten. 4****

Das Taschenbuch ist im GMEINER-Verlag erschienen, hat 180 Seiten und kostet 9,99 Euro. Das E-Book ist für 8,99 Euro erhältlich.



"Autos, Dübel, Teddybären" von Astrid Schlupp-Melchinger

Kein Roman und trotzdem spannend. In diesem Buch werden bekannte Marken und Unternehmen Baden-Württembergs vorgestellt. Die Hintergrundgeschichten bieten historische Fakten auf unterhaltsame Weise an. Zum Beispiel Maggi: Warum die schnelle Fertigsuppe erfunden werden musste. Und dass in der deutschen Niederlassung in Singen anfangs nur 7 Frauen arbeiteten - kaum zu glauben, wenn man das Werk heute sieht. 
Das Buch ist inhaltlich in mehrere Kapitel unterteilt, die passend zum Stil der Texte, ebenfalls wohlklingende Namen tragen. Da gibt es Strick & Schick, Geld & Wohltat, Hexenküche & Co und eines mehr. Seit der Lektüre der Texte sehe ich sowohl die Fischer-Dübel als auch die Waldorfschulen mit anderen Augen. Ich weiß, warum sich gerade im Schwarzwald die Uhrenindustrie entwickelte und bewundere die Chefin des großen Unternehmens, in dem mein Mann arbeitet, dafür, dass sie vier Kinder und die erfolgreiche Firmenleitung unter einen Hut bekommt. Dass die erste Bausparkasse ausgerechnet im "Schaffe-schaffe-Häusle-baue-Ländle" gegründet wurde, überrascht mich nicht. Dass die Herstellung von Spielzeugpuppen früher manchmal eine explosive Angelegenheit war, dagegen schon. 

Auch wenn die Autorin betont, dass sie das Buch nicht als Nachschlagewerk konzipiert hat und es keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, vermisse ich dennoch zwei Dinge: Ein A bis Z-Register und eine Übersichtskarte. Die Überschriften zu den vorgestellten Unternehmen sind teilweise fast schon poetisch, da fällt es schwer, auf Anhieb zu erkennen, welche Marke sich dahinter verbirgt. Selbst beim Lesen des Textes war ich mir manchmal nicht sicher, nun zu wissen, wie die vorgestellte Firma genau heißt. Und manchmal möchte ich als Leser eben doch schnell wissen, ob zur Marke XY aus dem Nachbarort auch eine Geschichte drin steht. Die Wahrscheinlichkeit, diese zu finden, ist geringer als die, beim Suchen anderswo hängen zu bleiben und sich festzulesen. Denn eines haben fast alle Beiträge gemeinsam: Sie unterhalten, lassen einen immer wieder mit dem Kopf nicken und ob der neuen Erkenntnis still "aha" sagen. Dafür der Autorin mein Respekt. Ich bin sicher, dass es ein ziemlicher Recherche-Aufwand war, all diese Informationen zu bekommen und dann noch so aufzubereiten, dass es beim Lesen nicht langweilig wird.

Das Tüpfelchen auf dem i sind die Abbildungen historischer Werbeplakate. Das werden damals wohl sogar noch Blechschilder gewesen sein. 


Fazit: Sehr empfehlenswert für alle, die sich für die Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs interessieren. 4****

Das Buch mit Softeinband ist im Südverlag erschienen, hat 176 Seiten und kostet 19 Euro.


Sonntag, 29. November 2015

"Jeder neue Tag ist ein Geschenk" von Andi Weiss (Hrsg.)

Dieses Büchlein vereint wahre Geschichten, erzählt von Menschen, denen sie passiert sind. Sie haben alle eins gemeinsam - ihre Protagonisten sind gläubige Christen. In erster Linie aber sind sie Menschen wie Du und ich. Sie hadern mit dem Leben und mit Gott, wenn der Tod ihnen einen geliebten Menschen entreißt, wenn sie selbst schwer erkranken. Dann fragen auch sie: "Warum?" Manchmal sind es kleine Dinge, zum Beispiel eine Liedzeile oder ein plötzliches Aufreißen des zuvor trüben Himmels, die sie Gottes Liebe wieder spüren lassen. Doch es gibt auch anderer Geschichten, die von ganz alltäglichen Dingen berichten, für die es sich lohnt, dankbar zu sein. Ein Lächeln, die Gelegenheit, helfen zu dürfen oder Hilfe zu empfangen, Menschen, die da sind, wenn wir sie brauchen.

Ich bewundere die Erzähler und Erzählerinnen für ihr Gottvertrauen. Ja, fast beneide ich sie. Es muss befreiend sein, sein Schicksal ganz in Gottes Hände zu legen. Egal, ob es sich dabei um eine ausgebuchte Fähre oder eine schwere Krankheit handelt. Der erste Schritt zu dieser Befreiung ist Dankbarkeit für die kleinen Geschenke, die jeder Tag uns bringt. Wenn wir bereit sind, zu danken, sind wir auf dem richtigen Weg, denke ich. 

Man merkt den Geschichten teilweise an, dass sie nicht von Profis verfasst sind. Aber gerade das macht sie so authentisch. Es ist, als ob die Erzähler mit uns in einem ruhigen, geborgenen Raum sitzen und uns an dem teilhaben lassen, was ihr Herz bewegt. 

Das Hardcover-Buch mit dem schönen Einband wirkt wertvoll und ist meiner Meinung nach ein wunderbares Geschenk für Menschen, denen wir Mut machen möchten, sich auf das Leben und auf Gott einzulassen.  


Fazit: Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Büchlein lesen durfte. 5*****

Das Hardcover-Buch ist bei Gerth Medien erschienen, hat 192 Seiten und kostet 9,99 Euro. Als E-Book ist es für 8,99 € erhältlich.



Freitag, 20. November 2015

"Denn nichts bleibt vergessen" von Harriet Lane

Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut. Als Psychothriller auf hohem literarischen Niveau wurde der Roman angekündigt. Da erwartete ich das versprochene Katz-und-Maus-Spiel und Spannung bis zur letzten Seite. 
Stattdessen plätscherte die Handlung vor sich hin. Nina sieht Emma aus der Ferne und erkennt in ihr jemanden wieder, der sie begegnete, als sie beide 17 waren. Inzwischen sind sie Anfang 40. Emma erinnert sich nicht an Nina und so beginnt diese, sich in Emma Leben zu drängen. Die Gründe scheinen in der Vergangenheit zu liegen, als beide 17 waren. 

Emma ist eine chronisch überforderte und gestresste Mutter zweier Kleinkinder, Nina eine schöne, erfolgreiche Malerin, glücklich verheiratet mit einem reichen Mann, ihre Tochter aus erste Ehe ist gerade 17 - so wie sie damals. Trotzdem sind fast alle Figuren in dem Buch unsympathisch gezeichnet. Ich konnte mich mit niemandem wirklich identifizieren. Bei Emmas Einstellung zu Kindern sollte man besser kinderlos bleiben. Nina scheint intelligent und doch tut sie Dinge, die man eher einem spontan handelnden Kindergartenkind zutrauen würde. Sie plant, intrigiert, verwendet viel Zeit, um Emma näher zu kommen und sie und ihre Kinder mit kleinen Boshaftigkeiten zu quälen. Warum? Das bleibt die einzig spannende Frage, die mich immer wieder weiterlesen ließ. Trotz der Längen, die das Buch hatte, und vor allem trotz der doppelten Darstellung der Begegnungen von Emma und Nina - einmal aus Emmas und einmal aus Ninas Sicht. Einerseits interessant, die unterschiedlichen Sichtweisen kennenzulernen, andererseits verwirrend was den Zeitablauf betraf. Stellenweise ermüdend, weil z.B. sogar die Dialoge wortwörtlich wiederholt wurden.

Sprachlich habe ich an dem Buch nicht auszusetzen. Die Autorin beschreibt die Situationen sehr anschaulich (z.B. den Restaurantbesuch von Emma und Ben) und auch die handelnden Figuren, selbst die nebensächlichen, glaubt man direkt vor sich zu sehen. Warum aber sind fast alle Erwachsenen unsympathisch? Ben ist ein Macho, Emma eine Heulsuse, Nina eine intrigante, sich freundlich gebende Zicke usw. Nina ist überhaupt das größte Rätsel für mich. Während des Lesens wuchs bei mir immer mehr der Eindruck, dass damals etwas richtig Schlimmes geschehen sein muss, das Emma Nina angetan hat. Die Auflösung ist in meinen Augen ein Witz. Ich finde es völlig unlogisch, dass Nina sich deshalb über zwanzig Jahre später so verhält. Eigentlich war da doch gar nichts ...  Kein Wunder, dass Emma sich nicht erinnern kann. Das ganze Buch ist mir unsympathisch - der Plot, die Figuren, besonders Nina, die psychisch krank sein muss, anders lässt sich diese Besessenheit nicht erklären. Am Anfang denkt sie "Emma, du bist es. Ich habe dich gefunden." Hat sie tatsächlich über zwanzig Jahre nach Emma gesucht? Ich glaube nicht. Es war eine eher zufällige Begegnung. Auch das abrupte Ende gefällt mir nicht. Das ist die einzige Stelle im Buch, an der ich wirklich unbedingt die Sicht der anderen Frau hätte lesen wollen. Doch dann kam nichts mehr.

Das Cover finde ich übrigens sehr gelungen. Es wirkt in der Realität noch besser als auf dem Foto. Schade, dass Cover und Klappentext neugierig machen. Umso größer war am Ende die Enttäuschung. Es ist ein Buch, das mich kopfschüttelnd zurücklässt. 


Fazit: Leider nur 2**

Das Buch ist als Taschenbuch im Insel Verlag erschienen, hat 276 Seiten und kostet 12,99 Euro. Das E-Book ist für 10,99 Euro erhältlich. 



Freitag, 13. November 2015

"Rot ist schön" von Rita König

Bis 1985 scheint Silkes kleine Welt irgendwo in der DDR mehr oder weniger in Ordnung zu sein. Der Vater kommt manchmal spät nach Hause - aus der Kneipe oder von anderen Frauen. So genau will Silke das gar nicht wissen. Aber der Vater übt mit ihr auch Vokabeln, zeigt ihr, wie man ein Fahrrad repariert, ist ihr Ruhepol in der Familie. Die Mutter schimpft und schreit oft herum,  besucht manchmal am Wochenende "Onkel Werner". Grund genug für Klatsch und Tratsch im Dorfkonsum liefern beide Eltern. Dann zieht die Mutter mit dem jüngeren Bruder fort, zu "Onkel Werner". Silke, gerade 15, bleibt beim Vater und kümmert sich neben der Schule um den Haushalt. Ihre Lehre, die sie ein Jahr später beginnt, war als Flucht vor der Mutter geplant, die nun gar nicht mehr da ist. Trotzdem zieht Silke ins Internat in einer fernen Stadt, findet dort zwei beste Freundinnen - Heike und Ina. Aber sie bleibt auf der Suche ...

Silke ist getrieben von der Sehnsucht nach einer heilen Familie. Aus irgendeinem Grund gehören Menschen mit roten Haaren dazu. Obwohl weder Vater, noch Mutter, Bruder oder Silke rothaarig sind. Rot ist schön, erfährt Silke später von Natascha, zumindest im Russischen, wo beide Worte den gleichen Stamm haben. 

Silkes Sehnsucht lässt sie gleichzeitig vor der Realität fliehen, die anders ist, als das, was sie sich wünscht. In den Armen vieler Männer findet sie kurzzeitiges Vergessen, bleibt dennoch rastlos. Die Wende erlebt auch Silke als Zeit des großen Umbruchs. Die neuen Freiheiten machen ihr eher Angst. Sie will nicht reisen. Und doch ist das ganze Buch eine Reise. Silke sitzt im Zug, zehn Jahre nach dem Auszug der Mutter, erstmals auf dem Weg zu ihr. Während der Fahrt erinnert sie sich. An Micha mit den roten Haaren, den sie nicht lieben durfte. An den See hinter dem Wald und das Hexenhäuschen im Dorf. An die Blutbuchen, die auf jedem Friedhof stehen und die unzähligen Seltersflaschen, die sie zur Beruhigung ihres Magens leer trank..

Die Personen und Orte im Buch bleiben stellenweise sehr unkonkret. Der Vater, die Mutter, der Bruder und die Großeltern ... ihre Namen werde nicht einmal genannt. Ebenso die Orte. Irgendwo in Brandenburg, im Vorharz, an einem breiten Fluss, der nicht ins Meer mündet. Das fand ich ein bisschen schade. Auch mit den Sprüngen zwischen dem Geschehen während der Zugfahrt und Silkes Erinnerungen tat ich mich an ein oder zwei Stellen etwas schwer. 

Die Geschichte lebt für mich von Silkes Sehnsucht, ihrer Suche nach dem Glück. Gleich am Anfang erfahren wir, dass Silke dieses endlich gefunden hat. Sie ist schwanger, als sie im Zug sitzt, und sie hat Peter, einen lieben Mann, der ihre Rastlosigkeit beendete. Auch wenn Silkes Geschichte vor, während und nach der Wende in der DDR spielt, so dienen diese historischen Ereignisse nur als Hintergrund für das, was in Silkes kleiner Welt geschieht, die sie gar nicht größer haben möchte. Es war interessant, beim Lesen immer wieder an viele kleine Dinge erinnert zu werden, die damals anders waren. Altbauwohnungen ohne Bad, auf dem Hausflur ein Klo für zwei Familien. Malimo-Stoff und Nylon-Kittelschürzen. Hirtentäschel und Sauerampfer kauen auf der Wiese ... Aber auch der ABV, der genau wusste, wann bei wem Westbesuch im Haus war. 

Silke erscheint völlig unpolitisch. Die Farbe Rot aus dem Buchtitel steht an keiner Stelle des Buches für eine Gesinnung. Die großen, weltbewegenden Ereignisse verlieren an Bedeutung gegenüber dem, was in Silkes kleiner Welt geschieht. Glück findet im Herzen statt und nicht in der großen weiten Welt. 

Fazit: 5***** und Leseempfehlung für eine ungewöhnliche, beeindruckende Geschichte.

Das Taschenbuch hat 300 Seiten, ist im Verlag "Der kleine Buch Verlag" erschienen und kostet 14,90 €.


Montag, 9. November 2015

"Ungereimtheiten von fies bis böse" von Werner Färber

Dies ist ein ungewöhnliches und gerade deshalb  so unterhaltsames Buch! Historisch wertvolle und dramatische Balladen durften / mussten wir in der Schule lesen, auswendig lernen und interpretieren. Romantische, gefühlvolle Gedichte erfreuen auch heute noch mein Herz. Humorvolle Reime a la Ringelnatz lese ich gern, aber viel zu selten. Und nun kommt Werner Färber daher und stellt mein Gedichtverständnis völlig auf den Kopf! Bei ihm kann selbst ein Vierzeiler eine lange und dramatische Geschichte erzählen. Historisch Wertvolles hat er ebenfalls zu bieten, denn ein Teil seiner Reime sind inspiriert von Pressemeldungen, von denen er Datum und Schlagzeile anfügt. Bei "Mehdorn strebt Teileröffnung von BER an" klingt Färbers Auslegung absolut logisch, wenn man berücksichtigt, was bisher dort geschah. Wunderbar die unzähligen Variationen von "Bei Hempels unterm Sofa", wobei XLIX (Der kleine unsichtbare Keks) mein Favorit ist. 

Ich weiß nicht, ob Werner Färbers Gedichte jemals in der Schule im Deutschunterricht Thema sein werden. Schöne wär's, denn daran hätten die Schüler sicher viel Spaß. Und hinein, hinaus und herum interpretieren kann man um Färbers Reime eine ganze Menge.

Ganz selten stieß ich mich an "vergewaltigten" Textfragmenten. Da wurde ein Satz schon einmal so umgestellt, dass er grammatikalisch völlig verdreht war, aber einen guten Reim abgab. Kann man machen, wenn es auch nicht gerade die elegante Variante der hohen Dichtkunst ist. Wobei, hohe Dichtung ist ganz sicher auch nicht das Ziel des Autors. Er will nicht abheben in Sphären, die den "wahren Literaten" vorbehalten sind und wohin ihm kein normaler Mensch mehr folgen kann. Färber spricht Klartext, beschreibt Alltagssituationen, die Dir und mir bekannt vorkommen. Gedanken, die in unseren Köpfen herumspuken. Er zeigt mit dem Finger auf menschliche Schwächen, macht sich über sie lustig und bringt den Leser so zum Nachdenken, ohne den Zeigerfinger belehrend zu erheben. Also doch ein Buch für den Deutschunterricht! 


Fazit: 5***** für ein Büchlein, das ich immer wieder gern in die Hand nehmen werde, um mich an ein paar gereimten Ungereimtheiten zu erfreuen. 

Das Buch aus dem Färber-Verlag hat 188 Seiten, ist nur als Taschenbuch erhältlich und kostet 12,00 Euro. 


"Stumme Wasser" von Anja Behn

Was für ein Krimi-Debüt! Ostsee-Nebel und ein geheimnisvoller Fluchtversuch in der Vergangenheit im Prolog. Vorweihnachtliche Stimmung und ein Mord im winterlichen Fahrende. In der Hauptrolle Richard, ein Kunsthistoriker und alter Freund des Ermordeten. Dazu Johanna, die Enkelin des Toten und jede Menge interessante Nebenfiguren. Besonders die Beschreibung der Örtlichkeiten und des Wetters gefiel mir. Ich fühlte mich zurückversetzt in meine alte Heimat, erinnerte mich an die Winter am Meer, den eisigen Wind, der durch die wärmste Kleidung dringt und ins Gesicht beißt, das heimelige Gefühl, aus der kalten Dunkelheit in ein Haus voll Wärme und Licht zurückzukehren.

Ebenso passend beschrieben finde ich die Charaktere, besonders die Nebenrollen. Mein Favorit ist die etwas mürrische, schweigsame Waltraud, die jederzeit ein gutes Essen und einen warmen Tee anzubieten hat. Ganz anders Bernd, ihr Neffe, der freundliche, offene Dorfpolizist. Beide haben für mich das Potential von Serienfiguren. Über ein Wiederlesen mit ihnen in einem nächsten Krimi von Anja Behn würde ich mich sehr freuen. Auch Holger, der von Pech verfolgte Werftbesitzer mit der dauernörgelnden Ehefrau, scheint stellvertretend für einige mir bekannte Mecklenburger zu stehen. 

Johanna wirkt größtenteils überzeugend in ihrer Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke. Lediglich die Trauer um den Großvater wich für mein Empfinden etwas zu schnell dem Interesse an Richard. Richards Entscheidungen sind für mich nicht immer logisch nachvollziehbar - aber er ist ja auch ein Mann! 

Die Handlung ist geschickt aufgebaut. Es beginnt mit einem Prolog, der ein Geheimnis zurücklässt. Danach werden wir Leser langsam mit der gegenwärtigen Atmosphäre vertraut gemacht. Fast gemütlich, auf typisch Mecklenburger Art. Doch bevor wir uns zu wohl fühlen im winterlichen Fahrende, gibt es eine Leiche und die Suche nach dem Mörder beginnt. Auf offizieller Seite ermittelt die Polizei, Bernd inbegriffen. Aber auch Richard, der wenigstens noch bis zur Beerdigung seines alten Freundes bleiben will, stellt Nachforschungen an. Mehrere mögliche Spuren tun sich auf. Einige Dorfbewohner wissen mehr als sie sagen. Zum Ende hin steigt die Dramatik fast ins Unerträgliche, geschehen Dinge, die man in einer winterlich verschlafenen kleinen Künstlerkolonie an der Ostsee nie vermuten würde. Und ALLES, was vorher geschah, ergibt plötzlich einen Sinn. Toll gemacht! 

Ein paar kleine Stolpersteinchen sind dem Lektorat und Korrektorat anzulasten, dafür möchte ich jedoch keinen Punkt abziehen. cover und Titel passen für mich perfekt zur Handlung. Die Menschen in Fahrende sind fast ebenso schweigsam wie die Wasser der Ostsee. Und beim Anblick des Fotos glaube ich fast den Wind zu spüren und das Meer zu riechen. 

Fazit: 5***** und herzlichen Dank für diesen schönen Ostseekrimi. Hoffentlich gibt es bald eine Fortsetzung? 

Das Taschenbuch hat 176 Seiten, ist im Emons-Verlag erschienen und kostet 9,90 €. Das E-Book ist für 8,49 € erhältlich. 

Na, sieht das nicht einladend aus? 

Donnerstag, 5. November 2015

"Liebeslust" von Veronika Schmidt

Mein erster Gedanke, als ich "Liebeslust" in der Hand hielt: Was für ein schönes Buch! Es enthält viele sehr gute, doppelseitige Fotos, von denen kein einziges billig oder "pornös" wirkt. "Liebeslust" ist weder ein Anatomie-Buch noch ein christliches Kamasutra. Das Buch hält, was die stilvollen Fotos versprechen. Es befasst sich mit der Liebe zwischen Mann und Frau und der dazugehörigen Lust. Stellenweise auch mit der Abwesenheit von Lust und dem,  was man dagegen tun kann. Die Schweizer Autorin Veronika Schmidt schafft es sogar, das Hohelied Salomons und seine erotischen Aussagen, einzubeziehen.

 Ausgehend von christlichen Werten, aber ohne anklagenden Alte-Männer-Zeigefinger, werden nahezu alle Bereiche sexueller Aktivität einfühlsam erläutert - vor allem in ihrer Bedeutung für das Leben von Mann und Frau als Paar. Sogar manches,  was im Allgemeinen in der christlichen Erziehung als "unkeusch" gilt. Beispielsweise wird Selbstbefriedigung hier viel schöner Selbstliebe genannt und als ein Mittel der Erkenntnis des eigenen Körpers und der eigenen Lust gesehen. Der nichtkörperlichen Selbstliebe, also dem Selbstbewusstsein, wird meinem Empfinden nach sogar die größere Bedeutung gegeben. Das sehe ich ganz genauso. Nur wer sich selbst liebt, sich für liebenswert hält, kann die Liebe des Anderen annehmen. Wer an sich selbst zweifelt, an seiner Liebenswürdigkeit, der zweifelt auch an der Liebe seines Partners. An dieser Stelle sehe ich die Verbindung zum christlichen Glauben als besonders sinnvoll, nahezu logisch. Wer sich in Gott geborgen und geliebt fühlt, weiß, dass er liebenswert ist, und kann sich selbst eher annehmen. 
 Paulus wird zitiert mit:
"Es ist alles erlaubt, ... Das mag stimmen, aber es ist nicht alles gut für Euch."Und genau hier kommt für mich doch wieder ein wenig der erhobene Zeigefinger ins Spiel. Nicht der alte, verknöcherte, aber der sanftmütige, wie von einer Mutter, die besser zu wissen glaubt, was dem Kind gut tut und was nicht. Selbstliebe solle nicht nur mechanisch ablaufen. Pornos erzeugen Leistungsdruck, sexuelle Erfahrungen vor der Ehe brauche man nicht, und Homosexualität wird zwar nicht verdammt, aber auch nicht erwähnt. Gottgewollte Liebe gäbe es nur zwischen Mann und Frau, lese ich. Hier liegt für mich der Schwachpunkt des Buches. Einerseits schreibt die Autorin, die Ehe habe sich in den vergangenen 200 Jahren stärker verändert als in der gesamten Zeit davor. Und es sei ihr ein Anliegen, überkommene Traditionen zu hinterfragen. Warum hinterfragt sie dann nicht auch die gleichgeschlechtliche Liebe und Ehe? Weil sie diese, um wieder zu Paulus zu kommen, zwar für erlaubt hält, aber nicht gut für uns? Wann hat die Autorin bewusst entschieden, als heterosexuelle Christin durch die Welt zu gehen? ;-)
Ich denke, es ist mehr als deutlich, wer die Zielgruppe für "Liebeslust" ist. Männer und Frauen, die christliche Werte leben wollen oder diesen zumindest aufgeschlossen gegenüberstehen. Fast alle Empfehlungen lassen sich auch für Nicht-Christen umsetzen. Und das ist aus meiner Sicht die starke Seite des Buches. Es ist anders als ein reiner Sexratgeber. Weil es hier eben nicht nur um Sex geht. Sondern um Liebe, Vertrauen, Verständnis - für sich selbst und für den Partner. Wenn diese Basis vorhanden ist, kann darauf aufgebaut werden, ist lustvolle Hingabe und richtig guter Sex möglich. Die Autorin geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie Themen wie Nörgelei, Streit und Fremdgehen mit einbezieht, ihre Ursachen in der Partnerschaft sucht, aber auch die Möglichkeit, damit umzugehen. Und sie zeigt die Verantwortung der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder auf. Durch die Art wie und worüber man mit den Kindern redet und was man ihnen vorlebt, wird festgelegt, welche Einstellung die Kinder später zu Liebe, Erotik, Sex und Partnerschaft haben werden. 
Wer tiefer in einzelne Themenbereiche einsteigen möchte, findet am Ende des Buches ein umfassendes Quellen- und Literaturverzeichnis. 
Fazit: 4**** und klare Empfehlung für heterosexuelle (christliche) Paare.
Das Buch aus dem SCM (Stiftung Christlicher Medien) Verlag hat 272 Seiten und kostet 19,95 €. Das E-Book ist für 15,99 € erhältlich. Welches "Problem" ich beim Lesen dieses Buches hatte, habe ich letzte Woche in meinem anderen Blog beschrieben: --> Ausweichlektüre

Dienstag, 3. November 2015

"Wilde Poesien" von Susann Kraft

In Zeiten von SMS, WhatsApp und Emoticons schöne neue Gedichte lesen zu dürfen, ist schon etwas Besonderes. Die Autorin hat ein Gefühl für Situationen und das Talent, diese besonderen Momente in Reime umzusetzen, ohne dass es kitschig wirkt. Egal, ob es die Geschichte eines Herbstblattes ist, der Zauber eines Sommerlüftchens oder der Abschied von einer gewesenen Liebe, sie alle sind es wert, genauer betrachtet zu werden. 
Ganz viele der beschriebenen Situationen sind Alltag, sind vertraut seit Kindertagen. Pusteblumen, Sonnentupfen, eisig kalte Wintermorgen  - wir alle kennen sie, erleben sie immer wieder aufs Neue oder laufen doch achtlos an ihnen vorbei? Die Gedichte von Susann Kraft zeigen das Besondere im Alltäglichen, wärmen das Herz mit Erinnerungen an ebendiese Momente. 
Besonders gefällt mir die scheinbare Leichtigkeit, die in den Versen steckt. Kein Reim klingt bemüht oder angestrengt, im Gegenteil. Es scheint, als hätte die Autorin die Poesie, die den kleinen Dingen innewohnt, einfach eingefangen, so natürlich klingt es. 

Ein kleiner Wermutstropfen ist die sicher in guter Absicht ausgewählte Schrift, die auf den ersten Blick wie eine Handschrift wirkt. Leider erschwert sie das Lesevergnügen. Der Sinn mancher Worte erschloss sich mir erst nach mehrmaligem Drübergehen, und das stört leider den Lesefluss und den Rhythmus der schönen Reime. Manche sich so ergebenden Verleser sorgten für unfreiwillige Komik. Besonders die "Ziegestühle" erzeugten ein herrliches Kopfkino. 

Wer Gedichte mag, dem sei dieses Büchlein empfohlen. Zum immer wieder darin stöbern. Denn die Gedichte sind zeitlos, die beschriebenen Momente kehren fast alle immer wieder. Vielleicht erkennen wir ihnen demnächst die Poesie, die in diesen Augenblicken steckt. Der Erlös dieses Büchleins geht übrigens über die Organisation SternenBlick  zu 100% an bedürftige Kinder. 


Fazit: 5***** und herzlichen Dank für diese herzerwärmenden Gedichte. Dass ich dieses Büchlein mit persönlicher Widmung der Autorin erhielt, wärmt mein Herz noch zusätzlich.

Das Taschenbuch hat 80 Seiten und kostet 12,10 €. Das E-Book ist für 4,99 € erhältlich. 

Freitag, 30. Oktober 2015

"Der Tod steckt im Detail" von Martin Krist

Ich liebe Kurzgeschichten, die ihre Leser nachdenklich zurücklassen. KurzKRIMIS sind eine spezielle Herausforderung für den Autor, denn hier möchte man bereits während des Lesens miträtseln, Motiv und / oder Täter erkennen. Martin Krist gelang es mit den meisten der 16 Geschichten, mich zu überraschen. Nicht alle sind Krimis im eigentlichen Sinne, gerade die letzen drei sind doch eher Mystery, aber auch die gefielen mir. Einige waren recht schnell durchschaubar, manche für mein Empfinden zu schnell. Alle sind gut erzählt. Der Autor schafft es, mit wenigen Worten Situation und Schauplätze so zu beschreiben, dass man fast das Gefühl hat, dabeisein. Bei "Urlaub" begann ich beinahe selbst, zu frieren und mit Kalkbrenner und die Wette zu zittern. 

 Interessant finde ich die Dreiteilung des Buches:
1. Crime Scene Berlin (6 Geschichten)
2. Thrill Nation (7)
3. Mystery World (3) 

Bei den Berliner Geschichten hätte ich gern noch mehr von Kommissar Kalkbrenner gelesen, aber über den gibt es ja eigene Bücher. Schön fand ich die Beschreibung der Schauplätze, wer Berlin kennt, wird es im ersten Teil wiederkennen. 
Der zweite Teil erschien mir am wenigsten homogen. Teilweise gab es nichts zum Rätseln, teilweise liefen zwei Handlungsstränge parallel, und es bleib lange unklar, wohin. Einige Zusammenhänge kamen sehr überraschend daher, ließen aber sofort alles zuvor Erzählte logisch erscheinen. Manchmal ging es mir etwas zu sehr durcheinander, da verknoteten sich meiner Gedanken fast schon im Kopf. 
Mystery World präsentiert keine Krimis im klassischen Sinn, aber gestorben wird immer. Mord, Selbstmord und natürlicher Tod und was sie in den Menschen auslösen, werden auf eine Weise beschrieben, die nicht ganz real zu sein scheint. Was Täter, Zeuge oder Opfer dabei empfinden, ist auf jeden Fall lesenswert.
Besonders gefallen haben mir "Schwätzer", "Dortmunds Domina 09" und "Beseelt", um mal aus jedem der drei Abschnitte eine Geschichte zu nennen. 

Wer gern Krimis und Kurzgeschichten liest, dem sei dieses Buch empfohlen. 

Fazit: 4****

Das Taschenbuch aus dem Luzifer Verlag hat 210 Seiten und kostet 9,99 €. Das E-Book ist für 4,99 € erhältlich. 



"Nachts, weit von hier" von Ulrike Schäfer

Immer, wenn ich an dieses Buch denke, schiebt mein Kopf ein zusätzliches Wort in den Titel und verändert ihn zu "Nachts, nicht weit von hier." Denn die den Geschichten beschriebenen Gefühle sind mir nicht fremd. Mit wunderbar treffenden Worten, sehr melancholisch, erzählt Ulrike Schäfer von Liebe, die nur noch Erinnerung ist, von Schuld, Angst, Tod und Trauer. Aber hier und da schimmert auch Hoffnung durch, finden Menschen neuen Mut, lassen alte, eingefahren Wege hinter sich. Und die Liebe bleibt, selbst über den Tod hinaus.

Mir haben die mit Worten gemalten Bilder sehr gefallen, die Metaphern sind, für das was die Menschen im Herzen bewegt. Unscheinbar, alltäglich und gerade deshalb vertraut und nicht weit von hier. Liebe kann sich äußern in der Art, Tomatenscheiben auf ein Brot zu legen. Liebe kennt geheime Formeln, die über die Jahre bleiben. Alte Liebe, längst vergessen geglaubt, kann nach Jahrzehnten neuen Lebensmut schenken. Und die Last, etwas Notwendiges nicht getan zu haben, bleibt für immer. 

Teilweise empfand ich die Geschichten als sehr traurig, in ihrer Schwere fast schon deprimierend. Aus der Leserunde und von der Autorin selbst weiß ich, dass dieses Empfinden weder gewollt ist, noch bei allen Lesern so ausgelöst wird. Selbst wo ich hoffnungslose Dunkelheit zwischen den Zeilen sah, entdeckten andere noch einen verheißungsvollen Lichtschimmer.

Allesamt sind es sehr berührende Geschichten, die man am besten einzeln und mit Pausen dazwischen lesen sollte, um sie wirken zu lassen. Die Sätze sind wohlformuliert, kein Wort scheint zu viel, keines zu wenig. Das Buch trägt dazu bei, den Blick nach innen zu richten, in Regionen unseres Herzens, die stets im Schatten liegen. Gerade jetzt, wenn die Welt im Novembernebelgrau versinkt, und wir Muße haben, über Vergänglichkeit und Tod nachzudenken, über die Liebe und das, was bleibt.

Fazit: nachdenkliche 5*****

Das Büchlein ist als Hardcover mit Schutzumschlag im Verlag Klöpfer & Meyer erschienen und hat 178 Seiten. Es kostet 20 €. Das E-Book ist für 14,99 € erhältlich. 




Dienstag, 27. Oktober 2015

"Tödliche Jagd" von Silvia Stolzenburg

Dies ist der erste Krimi von Silvia Stolzenburg, die manchem Leser vielleicht schon als Autorin historischer Romane bekannt ist. Das erste Kapitel ist gar nichts für schwache Nerven: Ein Mann hat nachts einen anderen ins Tigergehege in Zürich geworfen und beobachtet nun genüsslich, was der Tiger mit ihm macht. Glücklicherweise bleibt dem Leser eine Beschreibung der Details erspart, aber das Kopfkino war schlimm genug. Fast könnte man dagegen den Fund einer anderen Leiche in der Nähe des Stuttgarter Bahnhofs als Erholung empfinden. Die nackte Frau wurde "nur" erwürgt. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass es sich dabei um die ehemalige Schulfreundin der Stuttgarter Oberkommissarin Anna Benz handelt. Als ob Anna nicht schon genug Sorgen hätte, ist sie nun auch noch persönlich von diesem Fall betroffen. Schon vor dem Fund der Leiche schleppte Anna gleich einen ganzen Rucksack voller Probleme mit sich herum, die mit ihrer Vergangenheit zu tun haben.

Ich fand es spannend, parallel zur Ermittlungsarbeit immer mehr über die Figur der Anna und ihre privaten Probleme zu erfahren. Am Anfang weiß man als Leser nämlich noch gar nicht, was Anna so bedrückt, dass sie sogar die Beziehung zu Jens in Gefahr sieht. Interessant auch die Nebenfiguren wie Markus Hauer und seine Entwicklung, sowie den Schweizer Urs Wachter. Annas Verhalten ihm gegenüber hat mich grinsen lassen. Ups, habe ich mich da etwa selbst wiedererkannt? Mir gefiel die Figur der Anna vor allem deshalb so gut, weil sie sehr menschlich wirkt. Einerseits ist sie eine starke Frau, andererseits hat sie ihre Schwachstellen und dunklen Seiten, die sie nicht immer wirklich im Griff hat. Wie im wahren Leben. 

Ich glaube, ich habe noch nie einen Krimi gelesen, bei dem ich so sehr den Eindruck hatte, dass hier echte Polizeiarbeit realitätsnah beschrieben wird. Ein großes Kompliment an die Autorin Silvia Stolzenburg für ihre fleißige Recherche. Dass das Mordmotiv einerseits ein bisschen fantastisch klingt, andrerseits aber leider inzwischen von der Realität eingeholt wurde, gibt der Geschichte um Anna Benz ebenfalls eine erschreckende Realitätsnähe. 

Für mich persönlich war dieser Krimi fast ein Heimspiel, sowohl Tübingen und Stuttgart, als auch Zürich und die "Goldküste" am Zürisee sind mir bestens bekannt. Ein Extra-Lob gibt es für das richtig schöne und zur Geschichte passende Cover. 

Kleine Stolpersteinchen waren eine Handvoll Kapitelüberschriften, bei denen Datum oder Ort nicht ganz korrekt waren. Auch das ein oder andere Komma war frecherweise vom richtigen an den falschen Ort gehüpft. 
Und es heißt ganz sicher "gedieh" und nicht "gedeihte". Dafür müsste ich dem Lektor eigentlich die Ohren lang- oder einen halben Wertungsstern abziehen. ;-) Weil mir dieser Debüt-Krimi aber so ausnehmend gut gefallen hat, runde ich von 4,5 wieder auf zu 5***** und warte voller Spannung auf den nächsten Fall und die Fortsetzung der privaten Geschichte der Anna Benz.

Fazit: 5***** und absolute Leseempfehlung.

Das Taschenbuch hat 288 Seiten und kostet 12,95 €. Das E-Book ist für 7,99 € erhältlich.



"Tod in der Hofburg" von Beate Maxian

Die Wiener Journalistin Sarah Pauli ist vielen Lesern bereits aus den Teilen 1 bis 4 bekannt, die ebenfalls alle in Wien spielen. Obwohl ich weder "Die Tote vom Naschmarkt", noch "Der Tote vom Stephansdom" oder die anderen Wien-Krimis um Sarah Pauli gelesen hatte, fand ich mich mühelos in den 5. Band hinein, da die Handlung für sich abgeschlossen ist. Lediglich die Vorgeschichte von Sarah, ihren Freunden und Kollegen, kannte ich nicht. 

Das Buch beginnt mit einem vielversprechenden Prolog, in dem die Idylle des Sissi-Museums Hintergrund eines grausigen Verbrechens wird. Kurz danach werden die Journalistin Sarah und ihr Freund und Kollege David direkte Zeugen eines Doppelmordes am Neujahrsmorgen, mitten auf dem Musikvereinsplatz, als gerade das berühmte Wiener Neujahrskonzert stattgefunden hatte. Sarah, die sonst gern über Aberglaube, Magie und mystische Symbole schreibt, berichtet über das Geschehen. Teils noch traumatisiert vom Anschlag auf dem Platz, lässt die journalistische Neugier sie weiter forschen, Zeugen aufsuchen, Angehörige und Nachbarn der Opfer. Für meinen Geschmack ist hier ein bisschen viel Zufall im Spiel - natürlich kann es so sein, dass die betreffenden Leute immer gerade dann vor Ort sind, wenn Sarah dort auftaucht. Und dass sie alte Bekannte wiedertrifft, und ... und ... Parallel zu ihrer fast schon besessenen Suche und Recherche verschlechtert sich Sarahs Verhältnis zu David, sie beginnt, an der Beziehung zu zweifeln. (Das war die Stelle, an der mir die Vorgeschichte der beiden fehlte, wegen meiner Unkenntnis von Band 1 bis 4)

Die interessanteste Figur ist Michaela Adam. Eine begnadete Cellistin, die durch eine Krankheit fast alles verlor - ihren Platz im berühmten Orchester ihren Ehemann, ein normales Leben - nur die Tochter Anna ist ihr geblieben. Über eine Art Wiedereingliederung arbeitet sie in einem Café als Bedienung. Michaela war vor dem Anschlag auf dem Platz, fühlt sich nun verfolgt, beginnt ebenfalls nachzuforschen. Sie scheint allerdings ein anderes Ziel zu verfolgen als Sarah. Michaela sucht verschwundene Noten von Johann Strauss, eine Suche, die sie vor Jahren abgebrochen hatte, was mit ihrer Krankheit zusammenhing. 

Gut fand ich, dass die verschiedenen Verdachtsmomente miteinander verwoben wurden. Es war wie ein großes Puzzle - Sarah fand etwas heraus, Michaela ebenfalls, die Polizei hatte Neuigkeiten, dann waren da noch die Ereignisse aus dem Prolog, die irgendwie dazuzugehören schienen und doch nicht passten. Genau wie manch andere Puzzleteile, die sich einfach n nicht ins Bild einfügen wollten. So war ich als Leser immer wieder am Rätseln, stellte eigenen Theorien auf, verwarf sie wieder, weil sie zu unwahrscheinlich schienen. 

Sehr gut gefiel mir Wien als Kulisse. Die Architektur der Gebäude ist so wunderbar beschrieben, dass ich sie direkt vor mir sah, obwohl ich noch nie in Wien gewesen bin. Ich bekam direkt Lust, endlich einmal diese zauberhafte Stadt zu besuchen.

Die Auflösung hat mich dann nur teilweise überzeugt. Vor allem das Motiv für die Morde. Mordet jemand wirklich aus diesem Grund? Und dann noch auf solch öffentliche Weise? Dies, zusammen mit den vielen Zufällen, die Sarah der Lösung näherbrachten, lässt mich die Gesamtwertung um einen Stern reduzieren. Ansonsten ein Krimi, den ich gern empfehlen kann, und der sicher nicht nur Wienliebhaber begeistern wird. 

Fazit: 4**** und Leseempfehlung. 

Das Taschenbuch aus dem Goldmann-Verlag hat 386 Seiten und ist dafür mit 8,99 € erstaunlich günstig. Das E-Book kostet nur einen Euro weniger und ist für 7,99 € erhältlich.




Mittwoch, 21. Oktober 2015

"Der Katzenkönig" von Rainer Wochele

Das Buch "Der Katzenkönig" handelt vom Tierarzt Dr. Karl König, der gerade einige einschneidende Veränderungen in seinem Leben hinter sich hat. Seinen gut bezahlten Job in einem Pharma-Unternehmen hat er selbst gekündigt, seine Frau hat sich von ihm getrennt und ihn der ehemals gemeinsamen Wohnung verwiesen. So ist König nun, mit dreimonatiger Sperre des Arbeitslosengeldes auch finanziell ziemlich am Ende, in das Gartenhäuschen eines ehemaligen Mitschülers am Rande von Stuttgart, hoch über dem Neckar, gezogen.


Am Anfang konnte ich König wegen seiner Doppelmoral nicht leiden. Wie kann er einerseits seinen Job kündigen, weil er die Tierversuche nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, und andererseits Menschen Katzen unterjubeln, die ihren entlaufenen Lieblingen ähnlich sehen, um den Finderlohn zu kassieren? Geld stehlen, das in fremden Häusern für die Putzfrau bereitgelegt wurde? Sich von seiner neuen Liebe aushalten lassen, obwohl er selbst Geld in der Tasche hat? 

Andererseits scheint König feine Antennen zu besitzen. Die Katzen, die mit ihm im Gartenhäuschen wohnen, bekommen passende Namen großer Mediziner. Hippokrates, Sauerbruch, Frau Semmelweis ... König nimmt ihre Befindlichkeiten und ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten wahr und bringt es doch übers Herz, sie fortzugeben, um den Finderlohn zu kassieren. 

Seine Wahrnehmungen der Landschaft, der Musik, die durch die Luft schwirrt, finde ich ganz zauberhaft, fast schon poetisch. Ein widersprüchlicher Mensch, dieser König. Zum Schluss hin konnte ich mich wieder mit ihm versöhnen, brachte sogar eine Art Verständnis für sein vorheriges Verhalten auf. Vielleicht hatte ihm ja nur ein wenig Liebe gefehlt? 
Seine Gedanken zum Thema Tierversuche schreibt König auf einer alten mechanischen Schreibmaschine nieder, gespickt mit Fakten, die erschreckend und grausam sind. Was da unter dem Deckmantel der Wissenschaft geschieht, ist ein Verbrechen an den Tieren! 
Ein paar Sachen gefielen mir nicht ganz so an dem Buch: Zum einen die bereits angesprochene widersprüchliche Moral Königs. Dann die Art, wie das Tierheim ihm immer wieder Katzen herausgibt - das kann so nicht stimmen. Auch dass die Menschen sich fremde Tiere unterjubeln lassen, ihre eigene Katze nicht erkennen, ist mir als Katzen- und Katerbesitzer unbegreiflich. Jede Katze hat ihr eigenes, unverwechselbares "Miau", ihren Charakter, ihre Ohrknubbel usw., ganz abgesehen von Fellzeichnung, Größe und Gewicht. 
Sehr gut gefallen haben mir die Absätze, in denen der große Schnurrix Hippokrates zu Wort kam. Wunderbar, so könnten Katzen tatsächlich denken. Auch die sich sanft entwickelnde Liebe zwischen dem König und Lisamarie, die kleinen Gesten, wie die Gänseblümchen im Haar, die Unbeholfenheit Königs, der viel verlernt zu haben schien, gefielen mir. Königs Sinn für die kleinen Glücksmomente des Lebens machten ihn mir ebenfalls wieder sympathisch. Zwischen den Zeilen schwäbelt es stellenweise ganz schön, auch das mochte ich. Und ein Kölner musste sich natürlich auch mit hineindrängen. Nicht zuletzt auch die schöne Aufmachung mit Hardcover und Schutzumschlag machen diese kleine Büchlein zu etwas Besonderem.

Sprachlich ist mir, abgesehen von den zauberhaften Beschreibungen und bisher nie gelesenen Vergleichen zweierlei aufgefallen: Für meinen Geschmack teils etwas zu verschachtelte lange Sätze und ein für mich nicht nachvollziehbarer Wechsel zwischen Präsens und Präteritum (z.B. S. 146/147) 

Das Ende ist für mich kein wirkliches Happy End. Allerdings passt es zu meinem momentanen persönlichen Empfinden, der Unterscheidung zwischen "kleiner" und "großer" Welt. Wenn die große Welt im Chaos versinkt, der Ehrenkodex tot ist, wird das kleine Glück mit Gänseblümchen im Haar und Katze auf dem Schoß umso wertvoller. 

Fazit: Meine erste Bewertung war 4****. Im Schreiben der Rezension wurden mir all die Dinge bewusst, die diese Geschichte von anderen unterscheiden und mir sehr gefallen haben. Ich runde 4,5 Sterne auf zu 5*****. Hippokrates hätte es gefallen, glaube ich. Oder es wäre ihm egal gewesen. Auf jeden Fall bleibt es dabei: Katzen sind die Besseren.

Das Hardcoverbuch mit Schutzumschlag ist im Verlag Klöpfer&Meyer erschienen, hat 162 Seiten und kostet 20 €. Das E-Book ist für 14,99 € erhältlich.


Montag, 19. Oktober 2015

"Tote Hippe an der Strippe" von Lotte Minck

Für mich war es der erste Loretta-Krimi, für Hornbrillen-Girl Loretta Luchs ist es bereits der 5. Fall. Da habe ich wohl etwas verpasst ... Trotzdem kam ich ohne Probleme in die Geschichte hinein. Die Autorin Lotte Minck hat ein sicheres Gespür für Situationskomik. Ob es die Katerpfote ist, die direkt nach dem Besuch des Katzenklos in Lorettas Gesicht landet, der beinahe missglückte Heiratsantrag unter Beteiligung eines Hundes, die Beschreibung von Porno-Gnom und Domina-Hippe oder die kodderschnauzigen Kommentare von Frankie ... ich habe so manches Mal vergnügt vor mich hin gekichert. Dabei hat die ganze Geschichte einen ernsten Hintergrund, zumindest für die beteiligten Personen: Das Callcenter, in dem Loretta und ihre Freundin Doris arbeiten, steht kurz vor der feindlichen Übernahme. Puff-Akquise statt Sex-Hotline, so ist der Plan von Belinda, dem Pornognom, und ihrem Freund James. Dafür inszenieren die beiden und ihre Helfer eine filmreife Geschichte mit Mord (5 Zwergseidenhühner müssen sterben), Brandstiftung und Entführung. Opfer dieser Vorgänge ist Lorettas sympathischer Chef Dennis, der so dazu gezwungen werden soll, Belinda das Callcenter  zu überschreiben.

Loretta und Co. versuchen die Ganoven mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, indem sie eine noch unglaublichere Show abziehen, in der Hornbrillen-Girl zum Candy-bringt-Klasse-in-den-Puff-Männertraum mutiert und Frankie und Babsie sämtliche Klischees eines Proll-Pärchens aus dem Ruhrpott bedienen. 

Auch wenn die Worte Sexhotline, Puff, Domina, Porno ... usw. immer wieder auftauchen, ist diese Story keine Wi..svorlage, sondern eine intelligent konstruierte Geschichte mit sympathischen und gleichzeitig komischen Hauptfiguren. Einzig Lorettas Freund Pascal bleibt etwas blass, aber neben Loretta ist das vielleicht auch normal. Erstaunt war ich über die Wendung, die die Geschichte dann doch noch nahm. Aus "wir spielen Gangster um Dennis einzuschüchtern" wurde plötzlich tödlicher bzw. lebensbedrohlicher Ernst. Teilweise waren James und Belinda einfach nur doof, sonst wäre der Fall sicher anders ausgegangen. Klasse fand ich, dass Loretta und Frankie selbst in scheinbar auswegloser Situation noch lustige Sprüche draufhatten. Galgenhumor ist, wenn man zuletzt lacht oder so ähnlich. 

Das Cover passt perfekt zur Geschichte. Nur die tote Hippe war dann doch nicht mehr an der Strippe ... 

Fazit: ein fröhliches, spannendes und herrlich unterhaltsames Buch. 5***** und natürlich Lesempfehlung. 

Das Taschenbuch aus dem DROSTE-Verlag hat 304 Seiten und kostet 10,99 €. Das E-book ist für 8,99 € erhältlich. 



"Die Millionen von Neresheim" von Jochen Bender

Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Hier hat der Autor auf zwei Meldungen der lokalen Presse einen spannenden Krimi mit ebenso interessanten wie widersprüchlichen Figuren aufgebaut. 
Lydia, eine junge Psychologin, findet eine Leiche im Neckar. Bereits dieses erste Kapitel zog mich total in seinen Bann. Ich glaubte Lydias Angst zu spüren, sah tatsächlich eine Weile sie in  der Rolle der Leiche. Lydia scheint einerseits schwach, leidet selbst unter Ängsten, wird verdächtigt, mit dem Mord zu tun zu haben, da sie den Abt kannte und dies verschwieg. Andererseits ist sie stark, versucht die Ermittlerin Sultan zu beherrschen / zu verführen, was ihr auch gelingt. Auch der tote Abt hatte mehrere Gesichter. Und ein Fiesling wie Boßler muss nicht automatisch schuldig sein, nur weil man ihn nicht leiden kann. 

An vielen Stellen gefielen mir die Figuren, gerade wegen ihrer Widersprüchlichkeit. Einzige Ausnahme: die zu 99% perfekte Hauptkommissarin Anita Schenk. Trotzdem konnte ich mit keiner der handelnden Personen so richtig warm werden. Peter hätte vielleicht das Potential dazu, spielte aber zu sehr nur eine Nebenrolle. Mir fehlt einfach die Hauptfigur, der Held / die Heldin in der Geschichte, mit dem bzw. mit der ich mich zumindest teilweise identifizieren kann.

Und wieder wurde die heilige Kirche ein wenig entzaubert. Zwar konnte der anfängliche Verdacht, dass Kinderpornografie mit im Spiel ist, zum Glück ausgeräumt werden. Aber Steuerhinterziehung, Geldwäsche, geduldeter und unterstützter Traubenklau, die bewusste Belastung anderer Menschen mit Schuld ... Die Unterschiede zwischen Fiesling Boßler und den "angenehmen" Kirchenmännern wurden immer geringer. 

Auch wenn ich mit manchen Passagen des Krimis nicht unbedingt glücklich bin, so habe ich ihn trotzdem gern gelesen. Die Story ist so spannend gestrickt, dass man wirklich erst ganz zum Schluss die Auflösung erfährt. Und falls jemand meint, die Fakten seien übertrieben - DAS ist das wahre Leben! Wie das erklärende Nachwort beweist. Die Schwaben sind halt ein fleissiges Völkchen, selbst da, wo es kriminell zugeht. 

Das Cover ist mir irgendwie zu technisch. Zwar hat es mit dem Fundort der Leiche zu tun, aber ich hätte ein Foto der Abtei passender gefunden.

Fazit: 4**** und die Notiz, die wunderschöne Abtei Neresheim einmal mit eigenen Augen sehen zu wollen. 

Das Taschenbuch ist bei Oertel+Spörer erschienen, hat 270 Seiten und kostet 10,95 €. ein E-Book gibt es meines Wissens (noch) nicht.